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01.08.2015

1812

Kriegsgeschichte(n) ist ja normalerweise so überhaupt nicht mein Ding, ich vermeide jede Art von "Aufarbeitungsgeschichte", die irgendwas mit Nazis zu tun hat (ok außer Indi-Jones und Hellboy, aber, hey, die Jungs sind halt cool;-) und auch ansonsten war es ein beliebter Witz unter meinen Bibliothekskollegen, dass ich von den 4 Bänden Krieg und Frieden "nur den Frieden gelesen habe", weil ich die Schlachtenbeschreibungen einfach mal ersatzlos überblättert habe.;-)

Bevor jetzt jemand Luft holt und mir irgendwas von "Vergangenheitsverleugnung" vorsalbadern will, sei daran erinnert, dass ich einen Hochschulabschluss in Geschichte vorweisen kann. Ich teile tatsächlich eine gewisse Fazination für WWI Lyrik und ich habe in meiner Schul- und Hochschul-Laufbahn genug Faktenwissen angesammelt. Es ist also nicht so, dass ich nicht wahrhaben will was Menschen sich alles so antun können, ich habe es nur schon bis zum Erbrechen durchgekaut und jetzt will ich nicht mehr, ok?

Für 1812 geschrieben von Adam Zamoyski wollte ich allerdings dann doch mal eine Ausnahme machen, denn nachdem mir uabhängig voneinander 3 Menschen von diesem Buch erzählten, war ich doch einigermaßen neugierig, was man über Napoleons Russlandfeldzug heute noch so neues und nie-dagewesenes erzählen könnte?

Hier ist was der Klappentext uns dazu sagt:
Napoleons Feldzug in Russland war eines der größten militärischen Desaster aller Zeiten und eine menschliche Tragödie von beispiellosen Ausmaßen. Für sein Epos über die Hybris eines Eroberers, den Wahnsinn des Krieges und einen der Wendepunkte der Weltgeschichte hat Adam Zamoyski eine Vielzahl von Augenzeugenberichten in französischer, russischer, deutscher, polnischer und italienischer Sprache ausgewertet. Als Leser hat man teil an den Überlegungen und Entscheidungen Napoleons, des Zaren Alexander I. und der militärischen Befehlshaber beider Seiten. Gleichzeitig kann man den Verlauf der Invasion, das Katz-und- Maus-Spiel der Strategen, die unheimlichen Tage im eroberten, aber brennenden Moskau, den unfassbar grauenvollen Rückzug der Grande Armée nachvollziehen. Nicht etwa nur der eisige Winter zwang die Franzosen in die Knie, sondern politische Fehleinschätzungen schon im Vorfeld des Feldzuges, strategische Fehler, widersprüchliches Handeln und die Unfähigkeit, Versorgung und Nachschub der Truppen zu sichern, führten die katastrophale Niederlage herbei: ein Muster, dem wir hier nicht zum letzten Mal in der Geschichte begegnen.
Ich muss gestehen, dass ich bisher auch an den "Besiegt von General Winter" Mythos geglaubt hatte und ich denke auch nach der Lektüre des dicken Wälzers immer noch nicht, dass man den Faktor Wetter unterschätzen sollte, aber das Buch gibt sich wirklich alle Mühe die verschiedenen Entscheidungs- bzw. gerade die NICHT-Entscheidungsprozesse nachzuvollziehen, die dazu führen, dass eine Operation mit hunderttausenden Menschen scheitert. Wobei es für mich als Laien auch genauso schwer nachvollziehbar ist, wie man soviele Menschen aus sovielen Ländern überhaupt dazu bringt irgendwas zu tun, vom Erfolg mal abgesehen.;-)

Ich schreibe gerade sowas wie einen Winterkrieg und daher waren diese Einsichten für mich sehr interessant, auch wenn ich die unschönsten Details (ich sage mal Erfrierungsprozesse und Kanibalismus) vielleicht nicht übernehmen werde...

Trotz aller Skepsis - und auch wenn ich bei den Taktischen Beschreibungen wieder diesen "Überspringungs-Impuls" hatte;-) - muss ich also sagen, das Buch ist doch spannend, wenn man sich ein bißchen für das Phänomen Napoleon, oder auch europäische Staatenbildungsgeschichte interessiert - Konflikte mit Russland sind ja nun nicht sooo selten, habe ich mir sagen lassen...;-)
Ich vergebe daher mal 4 von 5 Standarten für ein Buch aus der Kategorie "hätte ich nicht gedacht, dass mir das gefällt".

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