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10.08.2018

Jumanji. Oder: How to turn a bug into a feature

Ich finde ja manchmal fault mit dem Honest Trailer, weil das Format an sich natürlich vor allem bei Filmen zieht, die ernste erzählerische oder technische Schwächen haben - und entgegen dem "früher war alles besser" Gemunkel gibt es ja noch Filme, die keine wirklich stichhaltige Angriffsfläche bieten. Um dann doch irgendwas Satirewürdiges zu finden, werden daher (meiner Meinung nach) oft kleinere Schwächen hochgepustet, oder auch einfach erfunden (im Sinne von "Dinge absichtlich falsch verstehen wollen") was mich ärgert, wenn ich den Film mochte.

In seltenen Fällen allerdings finden die Macher die Kurve zwischen ein wenig Nit-Picking und dem ernsthaften "hmm jetzt hab ich total Bock diesen Film zu sehen" Effekt. So zu sehen bei Jumanji, den ich zuerst in derselben "The Rock Filme Welle" wie Baywatch abgelegt hatte und nicht wirklich daran interessiert war, bis ich den Honest Trailer sah und mir dachte. Uhh das sieht spaßig aus!
QED...;-)



Tatsächlich war Jumanji der erste Film in diesem Jahr, den ich auch beim 2. Mal sehen noch lustig oder sehenswert fand. Heute also mal kein Gemotze, sondern die große Kunst des Meta-Kommentars!

1. Is it a bug or is it a feature?
Fangen wir mal mit dem Nit-Picking des Trailers an und handeln schnell und im Vorbeigehen ab, was man tatsächlich als Anwandlung von erzählerischer Schwäche deuten könnte, wenn man wöllte:
- It's the Breakfast Club
Ok, ja, die Hauptfiguren folgen den bekannten Highschool Archetypen (Footballer, Cheerleader, Nerd & Emo-Girl), aber auf die Sache mit den vorhersehbaren Character-Arches kommen wir gleich noch zurück. Bis dahin möchte ich zur Disposition stellen, dass wir uns in einem Film über Gamer-Klischees befinden und das Muster jedes RPG ist eine festgelegte, auswählbare Range von Archetypen-Charakteren. Nur mal so als Denkanstoß.;-)
- Warum haben die "NPC" eigene Filmszenen?
Der Film-im-Film eröffnet mit dem Gaming Klischee einer "erzählten Rückblende", also einer Filmszene, die vom "Exposition-NPC" ge-voice-overt wird. Die Charaktere des Films fallen quasi in diese Szene und kommentieren das auch. In späteren Szenen, in denen nur die Bösen zu sehen sind, fehlt dieses Erleben der Charaktere aber, was als Logik-Loch ausgelegt wird.
Ich möchte aber eine Lanze dafür brechen, dass hier eine Meta-Ebene eingezogen wird, denn während die erste Film-Szene den Im-Film-Charakteren ja noch "erzählt" wird, erleben wir die restlichen (sehr überschaubaren) Momente, wie wir als Gamer eine Filmszene erleben würden, in der keiner unserer spielbaren Charaktere vorkommt.
So maybe it's a bug (überschaubaren Umfangs), aber vielleicht ist es auch ein feature.
- Black-Back-Pack-Guy
Zurecht muss man anmerken, dass der latente Rassismuss vieler Videospiele zwar vorhanden ist, aber nicht in derselben Selbstentlarvenden Weise kommentiert wird, wie der latente Sexismus. Ich habe dazu als Verteidigung nur vorzubringen, dass The Rock nicht wirklicher der generische All-American-White-Hero-Guy ist, was die Klischeespanne angenehm verringert.
- Die Prämisse
Als ich Tine von dem Film vorschwärmte und erwähnte wie sie die Anbindung an die Vorlage angelegt haben, war ihr erster Kommentar: Und der Typ wundert sich nicht, dass sein Brettspiel über Nacht ein Videospiel geworden ist?
Unter der Vorgabe von realistischem Skeptizismus kann man allerdings keinen einzigen Hollywoodfilm irgendwie durchgehen lassen, also weigere ich mich diesen Einsatz von Suspension of Disbelief als "Mangel" zu bewerten.;-)

So das wars schon, jetzt kommen wir zu dem was großartig war!

2. Der Kommentar als Schwäche-Puffer
Die Idee einen sich-nicht-ernstnehmenden-Film auf dem Konzept von Videospiel-Witzen aufzubauen ist einfach, aber genial, denn Vieles was in anderen Filmen als dummes Klischee erscheint, kann hier kommentiert und quasi vom bug zum feature erhoben werden, inklusive:
- Die einzige Frau im Cast trägt unrealistisch, unpraktischen Battle-Bikini
- Der Bösewicht und seine Schergen sind Super-Schwellig bis zum Ende
- Die Anfroderungen, denen die Charaktere begegnen müssen, sind immer abgestimmt auf ihre jeweiligen Stärken und Schwächen
An anderer Stelle müssen sich Filme verbiegen, um zu erklären, warum ausgerechnet Mr Normalo, dessen einziger Skill es ist, dass er unheimlich gut HTML5 programmieren kann, in eine geheime Verschwörung gerät, dessen Key-Point es ist, dass er HTML5 Codes schreiben können muss, um die böse Bedrohung auszuschalten. Hier ist es ein Videospiel, natürlich sind die Stärken und Schwächen der Figuren auf die Levelanforderungen zugeschnitten, wie soll das sonst funktionieren?;-)
Und hier kommen wir nochmal auf die Sache mit den vorhersehbaren Character-Arches zurück. Es ist an sich schon keine Schande für einen witzigen Actionfilm sich niedrige Hürden für Charakterentwicklung zu setzen (ambitionierte Formate haben das auch schon verhunzt wie man sich erinnern will^^), aber ich möchte daran glauben, dass die Tatsache, dass jeder der Highschool-Archetypen einen Videospiel-Archetypen als Avatar wählt, der seiner Persönlichkeit entgegengesetzt ist, irgendwie in der Tatsache begründet liegt, dass Jumanji-das-Spiel von jeher seine Spieler aktiv umzubringen versucht. Es ist also eventuell die Game-Magic und nicht irgendwie faul gescriptet...aber selbst wenn, bleibe ich dabei, auch niedrige Hürden kann man reißen und hier funktioniert das wenigstens!;-)

3. Wenn man Videospiele kennt, ist das lustig...
Abgesehen davon, dass die Schauspieler offensichtlich sehr viel Spaß an dieser Geschichte hatten - ich würde ja viel für ein Video vom Actors-Coaching von Jack Black geben, in dem man ihm sagt er soll sein inneres, blondes Mädchen channeln...er macht der erschreckend gut...;-) - kann man als Videospieler auch ansonsten viel Spaß an diesem Film haben. Sich ad nauseam wiederholende NSC, das Schulterzuckende Einplanen von schrecklichen Todesarten und eigentliche Basis-Skills (wie "Kartenlesen") für die man trotzdem genau den einen Companion braucht, der das kann, sind so die offensichtlichen Highlights; unseres war der "Rations-Guy", der uns einen simultanen "ZWERGENHANDWERK..." Trauma Flashback zu Dragon Age Origins eingebracht hat...aber das nur so am Rande.;-)

Alles in allem würde ich denken, dass Jumanji ein überraschend unterhaltsamer Film geworden ist, ohne größere Logiklöcher und mit mehr Selbstironie, als man so von Blockbuster-Produktionen gewohnt ist. Und ich habe echte Probleme irgendwas nicht zu mögen, in dem The Rock mitspielt, das alleine ist in meiner kleinen, subjektiven Welt schon 5 von 5 Nashörner wert.;-)

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