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13.02.2023

Listening to: The Five. Oder auch: F*ck off Jack!

Man sollte ja meinen, ich bekäme irgendwann mal genug von grausigen Morden, medical horror und so und das ist auch definitv der Fall. ABER ich kann selten einer gut recherchierten Frauenbiographie widerstehen, vor allem wenn wir noch ein wenig über Doppelmoral und das Patriachat herziehen. Wird in der historischen Forschung viel zu selten getan, dafür dass es so! viele! Gelegenheiten dazu gäbe. ;-)

Hier findet sich also eine Hervorragende, also lasst uns mal kurz darüber sprechen worum es geht in: The Five. The Untold Lives of the Women Killed by Jack the Ripper, geschrieben von Hallie Rubenhold, gesprochen von Louise Brealey.


Five devastating human stories and a dark and moving portrait of Victorian London - the untold lives of the women killed by Jack the Ripper.  

Polly, Annie, Elizabeth, Catherine and Mary-Jane are famous for the same thing, though they never met. They came from Fleet Street, Knightsbridge, Wolverhampton, Sweden and Wales. They wrote ballads, ran coffeehouses and lived on country estates; they breathed ink dust from printing presses and escaped people traffickers.  

What they had in common was the year of their murders: 1888. The person responsible was never identified, but the character created by the press to fill that gap has become far more famous than any of these five women.  

For more than a century, newspapers have been keen to tell us that ‘the Ripper’ preyed on prostitutes. Not only is this untrue, as historian Hallie Rubenhold has discovered, it has prevented the real stories of these fascinating women from being told. Now, in this devastating narrative of five lives, Rubenhold finally sets the record straight, revealing a world not just of Dickens and Queen Victoria but of poverty, homelessness and rampant misogyny. They died because they were in the wrong place at the wrong time - but their greatest misfortune was to be born a woman.

Wer jetzt gerne darüber disskutieren will, ob und wenn ja warum im viktorianischen Zeitalter (oder fast jedem Zeitalter, seien wir mal realistisch) geboren zu sein ein Nachteil für Frauen war, der möge das bitte mit der Parkuhr seiner Wahl tun, das hier ist eine Buchrezension und nicht Geschichtsgrundwissen 101, klar soweit?

Was ich aber auch nicht wusste - und das obschon ich das Grundlagenwissen über Zeit und Kultur durchaus habe - war wie breitgefächert die Quellenlage für die Biographien der Ripper-Opfer tatsächlich ist. Ehrlich, wenn mit Guido Knopp oder irgendein anderer Heiopei nochmal erzählt "Wir wissen ja quasi nichts über die Lebensumstände dieser Frauen", dann fange ich hysterisch an zu lachen. ODER (was vielleicht schwieriger, aber sehr viel befriedigender wäre) schleppe mal einen dieser besagten Heiopeis in ein Mittelalterarchiv, damit man mal einen Eindruck bekommt was "dünne Quellenlage" wirklich bedeutet.^^

Die Autorin hat sich hier einfach mal die Mühe gemacht sich nicht mit dem Narrativ des "Prostituiertenkillers" abzufinden, sondern die unzähligen Zeugenaussagen, Zensusdaten, Familienstammbücher, Interviews und teilweise sogar eigenhändige Quellen wie Briefe oder Tagebücher (!?!) durchzugehen, um tatsächlich das zu tun, wofür Historiker:innen eigentlich da sind.

Im besten Fall sollte es eigentlich nicht so laufen, dass ein Buch immer nur bei anderen abschreibt und so der Fehler (oder die mangelnde Sorgfalt) eines Recherchierenden sich in etlichen Folgefehlern zu "Allgemeinwissen" verfestigt, aber nach meiner Erfahrung mit der "Quellenaufarbeitung" (sarkastische Anführungszeichen) bezüglich der Borgias wundert mich eigentlich nichts mehr.

Wer also (wie) ich ist und eine gründliche, quellenkritische Recherche an jedem einzelnen Tag dem "jeder weiß doch" vorzieht, der sollte dringend dieses Buch lesen. Ich werde es jedenfalls das ganze Jahr über jedem und seinem Hund empfehlen und das alleine muss schon 5 von 5 Spitzenhauben wert sein. 2023 wir starten stark! ;-)

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