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17.04.2014

Peer Gynt. Oder: Klangkonzept gesucht...!

Gerade läuft wieder Snuff in meinem iPod (oder Quatschkopf, wie ich ihn liebevoll nenne;-) und einer der ersten Lacher in diesem Buch ist für mich immer die Überlegung, dass wenn ein Apfel von einem Baum auf mich herunterfällt, das zwangsläufig zur Folge haben muss, dass die Welt gefährlich aus der Balance gerät, wenn alles immer nach unten fällt - es sei denn (und das konnte hier nachgewiesen werden;-) es fällt im gleichen Moment auch ein Apfel nach oben!
Man kann jetzt über Newton-Anspielungen lachen oder auch nicht, aber beim dieswöchigen Ausflug ins Theater stand mir diese Theorie unweigerlich wieder vor Augen. Keine Sorge in weniger als 5 Zeilen macht das bestimmt gleich alles Sinn!;-)

Ich hatte doch mal die Erfahrung gemacht ein Theaterstück ansehen zu wollen und statt dessen Schauspiel mit Oper serviert zu bekommen - das war unerwartet, aber in der von Erwartungshaltung ungetrübten Sicht nicht schlechter. So und am Sonntag wollte ich ein vertontes Gedicht zu sehen bekommen und bekam ein Theaterstück mit 3-Tracks Hintergrundmusik.
Schon macht die Einleitung voll Sinn, oder?;-)

Also trotz angekündigtem "innovativen Klangkonzept" kein Orchester, keine Morgenstimmung und nur ein bißchen Hintergrundbeschallung aus dem Lautsprecher. Hm.
Meine Erwartungshaltungsungetrübte Einstellung musste sich da aber mächtig anstrengen!;-)

Falls irgendwer den Ibsen nochmal kurz zusammengefasst sehen will, die Theaterhomepage sagt dazu Folgendes:
Der norwegische Bauernsohn Peer Gynt will: ALLES! Er träumt sich in seiner Phantasie in hohe Sphären, bricht kopflos zu einer Weltreise auf, nicht ohne vorher seine Mutter Aase zu verprellen und kurz noch die Braut
eines anderen zu entführen, um sie dann achtlos zurückzulassen. In seiner Lebensgier treibt er sich in Trollwelten, in der heißen Wüste Afrikas und auf den Meeren herum, kommt zu Reichtum, verarmt, ist Frauenverführer, Sklavenhalter, Schatzjäger, gibt sich als Kaiser und als Prophet, lässt über all die Jahre seine große Liebe Solveig immer wieder warten – und muss am Ende von ihr aus den Fängen des Knopfgießers befreit werden, der ihn zum Mittelmaß umschmelzen will. »Sei du selbst!« war immer der Anspruch gewesen, doch Peer kommt sich am Ende vor wie eine Zwiebel, die nichts ist, wenn man Schale um Schale entblättert.

Ibsens dramatisches Gedicht ist phantastisches Märchen und Gesellschaftskritik zugleich. Der Anti-Held Peer Gynt sprengt in seiner Hybris alle Maßstäbe und wird erst im Scheitern wieder Mensch.

Soweit so gut, das mit dem Looser-Megalomanen haben sie zumindest schonmal gut gemacht und die erste Hälfte von immerhin 3,5 Stunden Theater ging auch erstaunlich schnell vorbei, während wir noch dabei waren die absolut geniale Drehbühne zu bestaunen. Peer und seine Mama, Peer und die Frauen inklusive Troll-Prinzessin und pornösen Waldnymphen, alles soweit in Ordnung. Dass der Hauptdarsteller schonmal in 5-6 Menschen gleichzeitig dargestellt wurde, war eigentlich auch eine nette Idee, gut choreographiert und so als Bild des "Über-Egos" auch ganz machbar.

Die Aachner Trolle waren leider extrem fremdschäm-verdächtig - die Maskenabteilung muss sich da nochmal bei den Eisbären was abschauen, Gummimasken, die auf den Gesichter verrutschen und Schauspieler zum Nuscheln nötigen sind wenig künstlerisch wertvoll. Und wer auch immer dem Trollkönig gesagt hat, er muss einfach Mussolini mit Rattenschwanz sein, gehört auch geschlagen, das war peinlich!

Hälfte 2 ließ dann leider in Dynamik und Gusto sehr schnell nach. Ich mochte die teilweise grotesken, verdrehten Gestalten aus den "Halluzinationen", das hatte was von Bosch oder Giger, aber leider waren einige der "tatsächlichen" Menschen genauso überzeichnet. Es gibt scheinbar immer noch Regisseure, die nach dem Motto agieren "wer brüllt hat Recht" - habe ich noch nie geglaubt und facettenreiches Spielen erschöpft sich auch nicht darin, dass man die Lautstärke variieren kann. Für jemanden, der es noch nie ausprobiert hat, mag das total extrovertiertes Charakterdarstellen sein, wenn jemand seine "Emotionen" rausbrüllt - aber eigentlich ist es die einfachste Variante, dafür muss man sich nur ein wenig enthemmen. Subtil und dabei gut ist unfassbar viel schwieriger.

Der Tod als Knopfgießer gefiel mir hier gut - auch ein geiles Kostüm;-) - aber die Abziehbildchen Kolonialisten waren wieder extrem peinlich - fast noch schlimmere Nationalitätenklischees als bei der Eisprinzessin, findet das tatsächlich immer noch irgendwer lustig?

Ich bleibe mal dabei, dass sich meine Erwartungshaltung nicht wirklich objektivieren lassen wollte und vergebe für die wirklich genial umgesetzte Bühne einen goldenen Gummipunkt. Mit den Abzügen für "viel zu lang(atmig)" und "teilweise peinlich" kommen aber mehr als 3 von 5 Wünschelruten trotzdem nicht zustande.
Demnächst also wieder die Musik ohne störende Schauspieler!;-)

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