Unser Blogpost heute steht unter dem altbekannten Motto "was lange währt wird endlich gut", immerhin hatte ich das kleine #Zwischendurchprojekt schon im Juni abgeschlossen ...
Aber was soll ich sagen, manchmal brauche ich eben ein wenig länger, um meine Fotos zu sichten/sortieren und mir eine kohärente Erzählung zu überlegen, damit halbwegs verständlich wird wie diese Dinge in meinem Kopf entstehen... ;-)
Hier also die Geschichte!
1. Konzeption
Die Idee zum Business Casual Latzkleid kam mir eigentlich eher zufällig - man erinnert sich ja noch, dass ich das Prinzip zunehmend großartig finde, aber für's Büro hatte ich bisher das "Problem", dass mein selbstgebautes Lang-Latzkleid eher was für die Wintermonate ist und mein Hellbunny-Jeanskleid zwar auch super bequem ist, aber Jeans halt nicht zu jedem Arbeitsevent so passt. Außerdem ist das Kleid mal wieder die entscheidenden 3cm zu kurz (eigentlich). Ich mag halt lieber knapp unter Knie, als Knielang, ist so eine persönliche Präferenz.
Und dann hatte ich da noch diesen anthrazitfarbenen Anzugstoff rumliegen, den ich irgendwann mal gekauft hatte in der Illusion daraus eine Anzughose zu nähen - zumindest bis mir auffiel, dass ich a) immer noch nicht weiß wie Hosen überhaupt funktionieren und ich b) im Büro eigentlich kaum noch welche trage, weil Rock + Snag Tights einfach soviel bequemer sind zum langen sitzen. ;-)
Ein Schnittmuster habe ich also nicht, bzw. nicht wirklich, denn eigentlich - so meine Konzeptidee - besteht ein Latzkleid ja eigentlich nur aus einem Rock, einem Latzteil und ein paar geraden Stoffbahnen für das Taillenband und die Träger, no?
Den quadratischen Latz habe ich von meinem Hellbunny Kleid abgemessen und für den Rock habe ich mein Prototyp-Rockschnittmuster genommen, etwas das jede/r irgendwie braucht. Und zusammengenommen ergibt es auch wieder einmal die Perfekte Demonstration dass so viele Kleidungsstücke nur aus mehr oder minder einfachen geometrischen Stücken bestehen, dass man vorm Nähen gar keine Angst haben muss. :-)
Falls es interessiert, ein Prototyp Rockdreieck-Muster ergibt sich aus 3 verschiedenen Maßen:
- Taillenumfang : Anzahl der gewünschten Rockteile (ich empfehle mindestens 4, hier sind es 8 für den besonderen Swoosh-Faktor;-)
- Gewünschte Länge
- Oberes Keilmaß x 2 oder 3 je nachdem wie glockenförmig der Rock werden soll
Also sagen wir das Taillenband muss 80cm lang sein und die gewünschte Länge ist 50cm, dann malen wir eine 10cm lange Linie auf ein Stück Zeitungspapier und eine 30cm lange Linie genau mittig 50cm darunter. Linien verbinden und schon haben wir einen Rock-Keil hergestellt, den wir jetzt 8x ausschneiden und danach immer und immer und immer wieder benutzen können. ;-)
Für dieses Kleid habe ich also ausgeschnitten:
- 8 Rockkeile Oberstoff
- 8 Rockkeile Futterstoff
- 2 Latzteile (Vor- & Rückseite) aus Oberstoff
- 2 Taschenteile aus Oberstoff (wichtig!;-)
Außerdem brauchte es noch einen Reißverschluss.
Und eine Menge gerader Stoffstreifen - 2x fürs Taillenband und 4x für die Träger (jeweils Vor- und Rückseite). Für die Träger hatte man auch nur 1 breiten Streifen doppelt legen können, aber ich kam an die Grenzen meines Stoffes, der ja für eine Hose bemessen war... ;-) Das Taillenband faltet man gewöhnlich auch doppelt, aber hier habe ich mich dagegen entschieden, weil so Latz und Träger einfacher dazwischengeklemmt werden konnten (oder so dachte ich wenigstens...).
2. Konstruktion
Der Anzugstoff ist ein wenig schwerer, daher habe ich auf den Latz, die Träger und das Taillenband ein bisschen Visseline aufgebügelt - allerdings immer nur auf 1 Seite, was immer noch nicht genug war, dazu gleich ...
Das Zusammensetzen der Einzelteile war danach erstmal einfach. Latz und Träger bestanden nur aus geraden Nähten und die 2 Röcke haben lange gedauert, weil es jeweils 8 Nähte waren, aber ansonsten musste man auch hier nur gradeaus nähen und daran denken an einer Seite Platz für den Reißverschluss zu lassen und an der anderen im Oberstoff die Aussparung für die Innentasche nicht zu vergessen. ;-) Man erinnere mich allerdings bitte daran nie wieder diesen ekligen 0815-Futterstoff zu kaufen ... die Materialzusammensetzung ist die eines Plastiklöffels und genauso gut lässt er sich auch mit der Maschine verarbeiten.^^ Klar ist das Zeug billig und wir können nicht alle unsere Kleider mit Seide füttern wie die durchschnittliche kaiserliche Konkubine, aber ich bin ganz froh, dass ich jetzt fast alles davon verbraucht habe. Satin ist auch hauptsächlich Plastik und ein bisschen teurer, aber soviel besser zu nähen ... und fühlt sich auch einfach viel schöner auf der Haut an. ;-)
Den Rock mit dem Taillenband zusammenzusetzen war wegen des rutschigen, miesen Futterstoffs dann auch ein wenig frickeliger, als es hätte sein müssen (und ich musste noch ein bisschen raffen an den Seiten weil ich offensichtlich ein wenig überenthusiastisch war was die Nahtzugabe anging...), denn die Vorder- und Rückseite des Taillenbands waren ja auch noch anzusetzen.
Am Ende habe ich beschlossen mir das Leben leichter zu machen und erstmal die beiden Röcke, dann die Rückseite des Taillenbands und zum Schluss die Vroderseite anzusetzen. Sind das 3 Nähte für denselben Arbeitsschritt? Ja, schon. Hätte ich diese 4 Schichten niemals halbwegs grade zusammenbekommen in einer Naht? Auch...
Manchmal muss man also einfach die strapazierten Nerven gegen den Arbeitsaufwand aufrechnen. ;-)
Danach musste ich noch die Tasche einnähen und den Oberstoff säumen. Ich hatte über einen unsichbaren Saum nachgedacht, wie in dem Modern Victorian Projekt, aber auch da hatte ich zu wenig Vertrauen in den fisseligen Futterstoff.^^
Dann musste ich "nur" noch den Latz und die Träger an der Oberseite des Taillenbands einnähen und dachte ich wäre sehr clever das auch erstmal an der Rückseite des Taillenbands festzunähen und dann erst die Vorderseite umzuklappen. Dummerweise hatte ich nicht bedacht, dass ich so leider beim festnähen der Oberseite nicht sehen kann, ob die Maschine alle Stoffschichten erfasst ... Schwierig zu erklären, aber es sei einfach festgehalten, dass die Rückseite jetzt ein paar Falten hat, die ich im Nachgang nochmal per Hand fixieren musste ... solange die Fehler alle auf der Innenseite sind, wo sie keiner sieht, ist das alles #goodenough. ;-)
3. Letzte Handarbeiten
Irgendwann werde ich mal lernen, wie man einen Reißverschluss mit der Maschine einnäht, aber dieser Tag ist offensichtlich noch fern ... wie wir allerdings wissen, Handarbeit ist der Unterschied zwischen Kleidung und Couture, also ist es ein Feature und kein Bug, klar soweit? ;-)
Das Innenfutter per Hand zu fixieren, ist außerdem immer sehr meditativ wertvoll, weil es keinerlei Hirnzellen erfordert ... gut, die Naht könnte grader sein, aber Innenseite, also was solls.
Die Träger wollte ich zunächt mit Druckknöpfen versehen, musste aber schnell feststellen, dass der Stoff dafür zu schwer ist - und dann fiel mir auf, dass die Träger von Latzkleidern von der Stange ja eigentlich hauptsächlich deswegen mehrere Knöpfe haben, damit sie auf verschiedene Oberkörperlängen einstellbar sind. Da ich hier erstmal nur von mir ausgehen muss, habe ich am Ende einfach die Träger festgenäht, für den unwahrscheinlichen Fall, dass sich meine Oberkörperlänge nochmal ändert, würde ich die 30Min Handarbeit auch nochmal investieren. ;-)
Und dann hatte ich noch ein paar Knöpfchen, die keinerlei Funktion haben, außer hübsch auszusehen.
4. Fazit
Prinzipiell bin ich sehr glücklich mit dem Ergebnis, wenn man bedenkt, dass dieses Projekt zu 100% meinem Halbschlaf-Hirn entsprungen ist.^^ Den Alltagstest hat es auch schon bestanden, der Rock ist angemessen swooshig, was mich darüber hinwegtröstet, dass er leider gebügelt werden muss... ;-)
Aber das Schöne (unter anderem) an Latzkleidern ist ja auch, dass sie keinen direkten Hautkontakt haben, man kann sie also mehrmals tragen, bevor sie wieder gewaschen werden müssen. Was ich besser machen würde, würde ich das Ganze nochmal von vorne anfangen, beschränkt sich auf 2 Puntke:
1. Besseren Futterstoff kaufen ;-)
&
2. Ich würde beide Seiten von Latz und vor allem Trägern und Taillenband mit der Visseline verstärken.
Durch das Aufbügeln hatte der untere Stoffstreifen plötzlich mehr Festigkeit und beim durch die Maschine füttern, sind so ein paar Falten entstanden, weil die Oberseite dieses winzige Bisschen mehr Strech hatte. Hier sieht man vielleicht was ich meine:
An sich könnte man das schon als Meckern auf hohem Niveau bezeichnen, aber man will ja auch bei jedem Projekt etwas dazulernen. ;-)
In der Zwischenzeit sind wir stark auf dem Weg zum neuen Lieblingsteil, wenn nur das nervige Bügeln nicht wäre. Aber man kann wie immer nicht alles haben. Experiment gelungen, würde ich sagen! :-)