Es ist mal wieder Zeit für eine kurze Tudor-Sommersachbuch-Pause, aber diesmal habe ich nur 2 Bücher spontan bei Audible eingesammelt. Falls das irgendwen tröstet..
Wir bewegen uns allerdings wieder mal in der "2. Reihe", diesmal bei den angeheirateten - oder im nächsten Buch beinahe angeheirateten ;-) - Tudors. Und wie man hier am Untertitel schon erkennen kann, versuchen wir uns auch an ein wenig Geschichts-Revaluation, was ja immer schonmal interessant ist, no?
Ich war zwar nicht ganz überzeugt, aber bevor ich das auswalze, worum geht es eigentlich in Jane Boleyn: The True Story of the Infamous Lady Rochford geschrieben von Julia Fox, gesprochen von Rosalyn Landor?
In a life of extraordinary drama, Jane Boleyn
was catapulted from relative obscurity to the inner circle of King
Henry VIII. As powerful men and women around her became victims of
Henry’s ruthless and absolute power, including her own husband and
sister-in-law, Queen Anne Boleyn, Jane’s allegiance to the volatile
monarchy was sustained and rewarded. But the price for her loyalty would
eventually be her undoing and the ruination of her name. For centuries,
little beyond rumor and scandal has been associated with “the infamous
Lady Rochford.” But now historian Julia Fox sets the record straight and
restores dignity to this much-maligned figure whose life and reputation
were taken from her.
Drawing upon her own deep knowledge and
years of original research, Julia Fox brings us into the inner sanctum
of court life, laced with intrigue and encumbered by disgrace. Through
the eyes and ears of Jane Boleyn, we witness the myriad players of the
stormy Tudor period. Jane emerges as a courageous spirit, a modern woman
forced by circumstances to fend for herself in a privileged but vicious
world.
Es wird im nächsten Buch sehr viel wichtiger, aber könnten wir uns mal für interessantere Cover für Sachbücher einsetzen...? In diesem Fall ist es vielleicht ein starkes Ich-Problem, aber ich finde "Menschen mit abgeschnittenem Kopf" fast schon so schlimm wie "Menschen von hinten" und in diesem speziellen Fall ist es auch ein wenig ... morbide, wenn man bedenkt, wie die gute Jane Rochford gestorben ist...?
Außerdem ist das ein Gemälde von Königin Elisabeth, aber das nur am Rande. ;-)
Da uns der Klappentext da so ein wenig im Regen stehen lässt, lasst mich mal kurz zusammenfassen, warum uns Jane Boleyn interessiert und warum sie "infamous" ist, ok? Wäre ja vielleicht nicht schlecht gewesen so als Info... ;-)
Jane Boleyn, nee Parker, war die Ehefrau von George Boleyn, dem Bruder mit dem Queen Anne Boleyn angeblich ihre Inzest-Beziehung hatte. Nachdem ihr Mann und ihre Schwägerin geköpft wurden, erfreute sich diese Lady Rochford eines recht bequemen Lebens am Hof und war Hofdame der nächsten drei Königinnen, bis sie schließlich verhaftet und selbst hingerichtet wurde, weil sie in den Ehebruch von Queen Catherine Howard verstrickt war. Und so einige historische Kommentatoren ever since sahen darin eine Art poetische Gerechtigkeit, weil man ihr unterstellte Cromwell nützliche Informationen gegen ihren Mann und ihre Schwägerin geliefert zu haben.
Julia Fox argumentiert, dass diese Unterstellung vermutlich mehr auf üble Nachrede und den üblichen misogynen Vorurteilen, als tatsächlichen Fakten beruht, da keiner ihrer Zeitgenossen ihre Beteiligung am Prozess gegen ihre Schwägerin irgendwie kommentiert hat - und sie offensichtlich vorher in einer recht priviligierten Position in ihrem Hofstaat fungierte, was dagegen spricht, dass Queen Anne sie nicht ausstehen konnte (und dass es keinerlei Hinweise gibt, dass sie ihren Mann so sehr gehasst hat, dass sie ihn ans Messer liefern würde).
Ich möchte jetzt nicht behaupten, dass ich dieser Darstellung nicht folgen, oder ihr nichts abgewinnen kann, aber was mich dann doch ein wenig gestört hat, war die Tatsache, dass die Autorin meist keinerlei Quellen zu Jane Boleyn vorweist, sondern sich das Buch im Großteil mit Anne, George und Queen Catherine beschäftigt - vielleicht gibt es diese Quellen nicht, das mag durchaus möglich sein, aber das Leben einer Person aus Zeugnissen über das Leben anderer Personen zu konstruieren, kann eben auch nur eine Annäherung sein.
Und es führt dazu, dass mir der Prozess gegen Queen Anne plötzlich so geschildert wird, als hätte es irgendeine auch nur entfernteste Möglichkeit gegeben, dass das Urteil Nicht Schuldig hätte lauten können - als befänden wir uns in einem modernen Gerichtssaal und selbst im 21. Jahrhundert sollte man das Wort Schauprozess schonmal gehört haben.;-)
Die ganze "Spannungskurve" wie George und Anne "um ihr Leben kämpfen" in ihren Verteidigungsversuchen kam mir also ein wenig unfreiwillig komisch vor, weil das Urteil von Anfang an feststand - Monarchie ist super... - und man eher das Argument hätte anbringen können, dass es keinerlei Unterschied gemacht hat, selbst wenn Jane Rochford schlüpfrige Details aus dem Liebesleben des Königspaars ausgeplaudert hätte, um ihre eigene Haut zu retten. Und dass diese schlüpfrigen Details so von der Königin an ihre Damen ausgeplaudert wurden, wird dann auch als "unbestreitbar" bezeichnet, ohne dass man mir erklärt, was diesen historischen Klatsch ohne Beweis jetzt von anderem Klatsch ohne Beweis unterscheidet.
Dass die gute Jane ihre eigene Haut gerettet hat, ist offensichtlich und auch wenn man es im Kontext bewerten sollte, dass ihr Schwiegervater und sämtliche anderen Verwandten dasselbe getan haben, sobald feststand, dass der König seine Frau und seinen Schwager tot sehen wollte, war mir der Versuch einer "Ehrenrettung" doch ein wenig angestrengt. Man musste sie jetzt nicht als das verängstigte Opfer hinstellen, um die Ungerechtigkeit von historischer Doppelmoral darzustellen und eigentlich tut man seinem Darstellungsobjekt damit auch nicht wirklich einen Gefallen, oder?
Andere Bücher - abseits des "der Sündenfall ist immer die Schuld irgendeiner Frau" Blablas - stellen Jane Boleyn als Frau mit politischem Überlebensinstinkt dar, der die Intrigen und Hinterhofverschwörungen des Hofes irgendwann zu Kopf gestiegen sind und die von einer verständlicherweise panischen Catherine Howard unter den Bus geworfen wurde, um wiederum ihre eigene Haut zu retten. Diese Darstellung mag nicht zu 100% stimmen, aber die naive Hofdame, die aus Versehen in diese Intrigen stolpert und so ganz unschuldig verurteilt wird, ist es vermutlich auch nicht.
Wie immer lohnt es also mehrere Darstellungen zur Kenntnis zu nehmen und seine Quellenskepsis niemals schleifen zu lassen.;-)
Trotzdem kann man hier einiges über die Fluktuationen am Tudorhof lernen, 3,5 von 5 Perlenpendants kann man da schon rechtfertigen.
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