Wie man vielleicht weiß, versuche ich immer wieder mal - ohne viel Erfolg - Physik zu verstehen. Und nachdem ich mich mehrmals durch Hawkin und Konsorten gewühlt habe, dachte ich mir, versuchen wir es doch mal mit einer anderen Perspektive. Wie man vielleicht auch weiß, ist es in der Historienforschung immer hilfreich sich einer Begebenheit oder Person von mehreren Perspektiven aus zu nähern, warum sollte es bei schwarzer Materie anders sein?
Und dieses Beispiel ist nicht zufällig gewählt, aber bevor wir dazu kommen, worum geht es kurz zusammengefasst in The Disordered Cosmos: A Journey into Dark Matter, Spacetime, and Dreams Deferred von Chanda Prescod-Weinstein?
In The Disordered Cosmos, Dr. Chanda Prescod-Weinstein shares her love for physics, from the Standard Model of Particle Physics and what lies beyond it, to the physics of melanin in skin, to the latest theories of dark matter—along with a perspective informed by history, politics, and the wisdom of Star Trek.
One of the leading physicists of her generation, Dr. Chanda Prescod-Weinstein is also one of fewer than one hundred Black American women to earn a PhD from a department of physics. Her vision of the cosmos is vibrant, buoyantly nontraditional, and grounded in Black and queer feminist lineages.
Dr. Prescod-Weinstein urges us to recognize how science, like most fields, is rife with racism, misogyny, and other forms of oppression. She lays out a bold new approach to science and society, beginning with the belief that we all have a fundamental right to know and love the night sky. The Disordered Cosmos dreams into existence a world that allows everyone to experience and understand the wonders of the universe.
Zuerst einmal muss ich festhalten, dass auch Dr. Prescod-Weinstein es leider nicht geschafft hat mir zu erklären was Quarks sind, so dass ich tatsächlich behaupten möchte, dass ich es verstanden hätte ...
Ich muss allerdings zugeben, dass ich unerwarteterweise plötzlich sehr nah am Wasser gebaut war, als sie zum Ende des Buches hin den besonderen Mut von Menschen lobte, die sich der Physik oder Mathematik stellen, obwohl man ihnen immer wieder gesagt hat, dass sie einfach kein Talent dafür haben - oder "biologisch" nicht in der Lage sind das alles zu verstehen. Ich bilde mir zwar ein vergleichsweise traumafrei aus meiner Schulzeit hervorgegangen zu sein (was sicher nicht daran liegt, dass sich Lehrer und Mitschüler - ja im generischen Maskulinium - wenig Mühe gegeben hätten mit ihren Mobbingstrategien), aber das hat mich irgendwie doch angepiekst.
Was uns schon ein wenig zum Kern des Buches bringt. Ja, es geht um Physik und Raumzeit und Quarks und die Tatsache, dass "schwarze Materie" eigentlich besser "unsichtbare Materie" heißen sollte, aber es geht auch um die tief verwurzelten Strukturen von Macht und Machterhalt in Wissenschaft und Akademia. Und darum, dass sich Naturwissenschaften offensichtlich gern einbilden "unpolitisch" zu sein - die Historienforschung tut das auch zuweilen, aber entlarvt sich vielleicht schneller, weil man immer schon wusste, dass Geschichte von den Siegern geschrieben wird? Hier werden wir also daran erinnert, dass sich Biologie, Physik und andere "harte" Wissenschaften genausoleicht von Politik und Propaganda vereinahmen lassen und genausowenig gerne darüber sprechen. Und dass es immer noch einen Unterschied macht wie jemand aussieht, der eine neue Idee vorträgt. Man kann also ein wenig darüber lernen wer die Menschen waren, die einige wichtige Ideen der Wissenschaft tatsächlich formuliert haben, bevor alte weiße Männer damit berühmt wurden. Oder sich die Frage stellen, ob wissenschaftlicher Fortschritt immer zwangsläufig mehr wert ist, als die "unnützen" kulturellen Überzeugungen irgendwelcher Menschen.
Am Ende steht die Einsicht, dass naturwissenschaftliche Bücher - ähnlich wie Geschichtsbücher - oft mehr Weltanschauung und Zeitgeist der Autor:innen enthalten, als sie oft zugeben wollen, oder vielleicht sogar als sie selber einsehen. Eine "Agenda" haben schließlich immer nur die anderen, was ich als normal empfinde kann ja keine "Propaganda" sein, no?
Beim Verständnis von String Theorie hat mir das Buch also wieder nicht geholfen, aber die Perspektive ist definitiv eine wertvolle, daher möchte ich 4,5 von 5 Neutronen damit rechtfertigen, dass ich einfach gerne noch mehr Wissenschaftsgeschichte gelesen hätte.
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