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27.02.2013

The Swerve: How the Renaissance Began

Es kommt mir so vor, als würde es jedes Jahr länger dauern meine "Weihnachts-Bücher" auszulesen, aber vielleicht ist das auch nur meine Zensor-Sichtweise?;-)

Für The Swerve von Stephen Greenblatt habe ich aber tatsächlich etwas länger gebraucht als üblich, weil ich mir da mal wieder einen anspruchsvollen Überraschugsfisch an Land gezogen hatte...


Dieses Buch ist einer meiner "geplanten" Spontankäufe, mit denen ich mich zumindest einmal im Jahr davon abhalte, immer nur dieselben Bücher zu kaufen - also wird vom Weihnachtsgeld auch immer mindestens ein Buch gekauft, von dem ich noch nie gehört habe und von dessen Inhalt ich keine Ahnung habe.
Man könnte das riskant nennen, aber wenn man mit dem Talent gesegnet ist, eigentlich alles irgendwie interessant zu finden, was gut präsentiert wird, dann ist die Trefferquote doch recht hoch...;-)

Dieses Buch habe ich wegen dem Cover ausgesucht (gebe ich offen zu, ist einfach sehr hübsch gemacht) und weil ich den Titel auf den ersten Blick ü-ber-haupt nicht mit der Inhaltsangabe in übereinstimmung bringen konnte:
Almost six hundred years ago, a short, genial man took a very old manuscript off a library shelf. With excitement, he saw what he had discovered and ordered it copied. The book was a miraculously surviving copy of an ancient Roman philosophical epic, On the Nature of Things by Lucretius and it changed the course of history.

He found a beautiful poem of the most dangerous ideas - that the universe functioned without the aid of gods, that religious fear was damaging to human life, and that matter was made up of very small particles in eternal motion. These ideas fuelled the Renaissance, inspiring Botticelli, shaping the thoughts of Montaigne, Darwin and Einstein.

Dieses Mysterium musste also gelöst werden und ich kann nach der Lektüre nur sagen, dass der Titel im Nachhinein völlig Sinn macht, aber dass ich selten ein so...unkonventionelles Sachbuch gelesen habe.

Im Großen und Ganzen geht es darum, wie Ideen überleben, wann sie entstehen, welche Schicksalsfaktoren zusammen kommen müssen, um sie weiterzutragen - am Beispiel eines epikureischen Gedichts, das der Autor als quasi Katalysator für moderne Denkweisen betrachtet.

Diese Geschichte von alten Papyrusrollen, die gefunden, aufbewahrt, transkribiert, aufbewahrt, wiedergefunden, übersetzt und verbreitet werden mussten, um überhaut eine Ahnung davon zu entwickeln, was Menschen im alten Rom oder Athen so gedacht haben, ist schon eine kleine Krimi-Geschichte für Historiker und Bücherliebhaber: Mittelalterliche Buch-Detektive auf der Suche nach alten Büchern, bevor sie von der Kirche verbrannt, oder mit langweiligen Gebeten überschrieben werden können - mir haben sich da schon manchmal die Fußnägel aufgrollt, es gibt einfach Dinge, die man mit Büchern nicht tut!;-)

Viel spannender fand ich aber die Erkenntnis, dass Epikureer in Athen der Meinung waren, die Welt bestehe aus unteilbaren Atomen, Götter wären nur Opium für's Volk, eine Lehre von Errettung im Jenseits großer Humbug und das Jenseits an sich unmöglich, weil sich der Körper nach dem Tod wieder in Atome auflöst, die durch völlige Zufallsbestimmung (Swerve, da haben wir ihn!;-) neue Körper, Tiere, Steine, Planeten formen, oder auch nicht.
Das Beste was wir als fühlende Wesen also tun können, ist uns nicht so sehr damit beschäftigen, dass uns irgendein seltsamer Gott im Jenseits belohnt, sondern einfach hier und jetzt ein gutes Leben zu führen, dass darauf ausgerichtet sein sollte uns selbst und möglichst viele Menschen um uns herum glücklich zu machen.
Besser kann man es auch 2000Jahre später nicht ausdrücken.
 
Wie man 2000 Jahre vor der Entwicklung eines Mikroscops auf die Idee von Atomen kommen, und daraus Ableitungen für das menschliche Handeln entwickeln konnte, finde ich total unfassbar unwahrscheinlich eigentlich...
Wenn es je einen Moment gab' an Zeitreisende zu glauben, dann vermutlich hier!;-)

Und die unwahrscheinliche Überlebensgeschichte dieses höchst subversiven Gedankenguts quer durch 1000Jahre Katholizismus - und die vielen Versuche aus diesem "Live for Fun" Kernsatz irgendwelche Perversionen abzuleiten -  ergibt ein ziemlich interessantes, wenn auch manchmal nicht unbedingt zur Bettlektüre geeignetes Buch!

Von mir gibt es dafür jedenfalls überzeugte 4,5 von 5 Atomkernen. 

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