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02.03.2018

Foxglove Summer. Oder: Charaktere auf dem Opferaltar des Plots (massive Spoiler)

Ich habe es angekündigt und es hat sich bewahrheitet - meine steigende, graduelle Unzufriedenheit mit Rivers of London nahm mit Foxglove Summer seinen Anfang und setzte sich in Hanging Tree fort.

Und weil ich zwar gerne Recht behalte, aber mich auch dazu trainieren will nicht nur zu motzen, sondern auch konstruktive Verbesserungsvorschläge zu machen - nicht, dass ein Autor wie Aaronovitch Ratschläge von mir nötig hätte - habe ich mal minutiös darauf geachtet, damit ich benennen kann was mich stört.

Damit das ersichtlich wird, ist es allerdings nötig en Detail Dinge über die Showdown Szenen beider Bücher zu erzählen, also lese man bitte nicht weiter, wenn man nicht zufällig Mitglied im Club der Unspoilerbaren ist und/oder die Bücher noch lesen will. You have been warned!;-)



1. Complicated things get complicated
Ich habe nun im Gegensatz zu den Büchern, die Erscheinungstechnisch einfach weiter auseinander lagen, die Hörbücher kurz hintereinander weg gehört und trotzdem muss ich sagen: Der übergreifende Story-Arch wird einfach zusehends kompliziert.
Natürlich gehört das ein wenig zum World-Building groß angelegter Serien, dass man in jedem Buch ein wenig mehr über die Welt erfährt, aber irgendwann wird es für mich einfach unübersichtlich, wenn immer mehr Little Crocodiles dazukommen, die mit dem Plot was zu tun haben, oder auch nicht, aber trotzdem immer wieder mal erwähnt werden. Dann weitet sich natürlich auch die Suche nach dem Faceless Man immer mehr aus und man muss ständig nachhalten was es jetzt mit den ganzen Fassaden-Firmen auf sich hatte, wann wo wie der Austausch von FM1 zu FM2 (Abkürzungen sind ja grad in;-) stattgefunden hat, wer jetzt in dem Nachtklub war und wer die Tigerboys hatte und und und.
Und dann kommt ja noch dazu, dass die "ich will wissenschaftliche Studien an Magie durchführen" Herangehensweise des Hauptcharakters auch noch ziemlich viel Raum einnimmt und auch noch Szenen und Nebenfiguren notwendig macht.
Kurzum, things get complicated und das ist manchmal ein Problem, weil es den Spannungsaufbau stört - zumindest wenn man wie ich nicht "einfach über Dinge weglesen" kann. Ich schließe von mir auf andere, das heißt, wenn ich meinem Leser Infos gebe, dann gehe ich davon aus, dass diese Infos wichtig sind, also denke ich "hmm wer war dieser Typ nochmal und wo kam der nochmal her...?" Oder "Was war nochmal mit dieser Postkastenfirma, sollte ich Buch 4 nochmal lesen, falls das gleich wichtig wird...?" und whoops meine Konzentration für die story at hand ist im Arsch.
Wir werden vermutlich irgendwann eine etc Folge zu Pet Peeves im Erzählerischen machen, in der Info-Dumping vorkommt und da werde ich dann versuchen den Punkt zu machen, dass, ja, Paragraphenlange technische Erklärungen eventuell nicht angebracht sind, während man von bösen Schergen umzingelt ist. Sich aber immer darauf zu verlassen, dass der Leser noch weiß wer drittes Little Crocodile von Links vor 3 Büchern war, wenn man nur den Namen erwähnt, hilft aber leider auch nicht.
Ich weiß, grade von mir, die immer rummeckert, wenn Ich-Erzähler zu Erklärbärig sind, ist das ziemlich viel verlangt, aber darum finde ich ja Ich-Erzähler auch so schwierig, man mag sich erinnern.;-)

2. Das Opfer an den Plot
Bücher ärgern mich dann, wenn ich etwas lese und genau erkennen kann was der Autor wollte. Und das hat in 90% der Fälle damit zu tun, dass ich in den Charakteren oder Situationen selbst keine Motivation erkennen kann warum diese Geschichte jetzt diese Wendung nimmt - außer, dass der Autor dringend noch XY zeigen wollte.
Mich enttäuscht sowas. Ich schreibe seit geraumer Zeit plotgetriebene Geschichten und bin in dieser Zeit zu 2 Überzeugungen gelangt:
1. Eine Katastrophe, die vom Himmel fällt, verhindert nicht die Ausarbeitung komplexer Figuren, es macht nur mehr Arbeit, weil man evtl. weniger "Platz" hat Charakterkram unterzubringen (siehe Info-Dumping).
2. Wenn sich keine Möglichkeit ergibt deinen geplanten Plot irgendwie so umzusetzen, dass sich die Figuren nicht verbiegen müssen, dann ist dein Plot Mist!
Aber erstaunlicherweise ist Kill your Darlings scheinbar ein so großer Graben manchmal, dass auch gestandene Autoren nicht von ihren Plotpoints lassen können...Ich komme mal dazu, was ich meine und werde ins Detail gehen (nur falls man doch noch aussteigen will;-):

Am Ende von Foxglove Summer begibt es sich, dass der Twist der Story der ist, dass der dörfliche Schürzenjäger nicht nur seine Nanny geschwängert hat, sondern bei einem der rustikalen Outdoor-Gangbang Treffen auch eine Fairy. Und aufgrund einer komplizierten Folge von events, die jetzt zu weit führen würde (complicated things get complicated;-) sind beide Babys auf der jeweils falschen Seite des Weltenvorhangs gelandet. Soweit so großartig. As Plot Twists go, fand ich den schon quasi ganz großes Kino. Vor allem weil das - komplett menschliche - Kind, das irgendwann wieder auftaucht ein verwöhntes Fairy Psychokind ist, was interessante Spekulationen über die Natur von Magie ermöglichen würde - würde, weil dieser Aspekt (also das Fairy Baby, das man wie ein normales Kind erzogen hat, ist völlig normal, während das normale Menschenbaby gefährliche Psychokräfte entwickelt hat) einer von vielen ist, über die nicht gesprochen wird.
Warum? Keine Ahnung, weil das ganze Ende dieses Buches ein einziger Rushjob ist, der so ziemlich alle Fragen offen lässt.

Als es dazu kommt, dass die beiden Mütter (Normalohausfrau und Fairy Queen) ihre Kinder wieder zurücktauschen wollen, weil sie beide lieber das Kind haben wollen, das sie aufgezogen haben, als das dass technisch gesehen ihre DNA trägt (Eingaben zur Bedeutung von Familie in menschlichen und nicht-menschlichen Gesellschaften anyone? Passiert nicht.), springt Peter Grant dazwischen, weil er beide Kinder behalten will und bietet sich als Austauschgeisel an.
Und ich so: Hä? Was hat das mit irgendwas zu tun? Was will er mit dem Psychokind (das offensichtlich eine Gefahr für die Gesellschaft ist)? Und was will die Fairy Queen eigentlich mit ihm??
Diese Kurzschlussaktion - man muss es so nennen, denn es wird nicht im Mindesten irgendwie vorbereitet - ist so abgrundtief sinnlos, dass nichtmal der Ich-Erzähler mit mehr aufwarten kann als: Manchmal weiß man einfach was das Richtige ist und tut das dann.
Und ich so: HÄ? *facepalm*
Was es fast noch schlimmer macht, ist die Tatsache, dass der ganze Ausflug in den Fairy Realm völlig Konsequenzenlos für die Story ist - sie sind grade erst losgezockelt, als seine Freundin Peter auch schon wieder aus dem Kindergarten abholt, weil "er ja schon ihr gehört und deswegen nicht der Fairy Queen gehören kann":
Und ich so: Äh ja klar, whatever...
Im Nachhinein fällt ihm dann immerhin noch ein seine Freundin zu fragen, was er denn jetzt mit dem Psychokind anfangen soll, das ja irgendwie nicht auf die Menschheit losgelassen werden kann.
Und ich so: *headdesk*
Und da ist die Geschichte ZU ENDE. Aufarbeitung offener Fragen? Nope. Will man noch wissen was mit den Polizisten ist, die er irgendwo in der Pampa hat stehen lassen? Nö, interessiert nicht.

Also muss ich 2 böse Vorurteile dreschen:
1. Dieser ganze Schmuh war nur dazu da, dass der Autor uns dringend noch zeigen konnte wie er sich die Fairy Welt vorstellt.
2. Eventuell saß ihm die Deadline im Nacken und er konnte kein vernünftiges Ende mehr schreiben.

Vielleicht stimmt das nicht, aber es fühlt sich verstärkt danach an - auch weil (und hier komme ich mal zum letzten Punkt und Hanging Tree machen wir dann später, bevor das noch mehr ausartet;-): Es wäre so einfach gewesen das nicht völlig reinzureiten!
1. Warum kommt nicht die Fairy Queen auf die Idee, dass sie sowohl das Kind mit ihrer DNA als auch das Kind, das sie aufgezognen hat, behalten will? Motivationen für nur so halb-menschliche Wesen sind einfach: The Fae are capricious, hätte sogar ich Meckerziege akzeptiert.;-)
Und dann kann man immer noch verhandeln, dass 1 Erwachsener ein guter Austausch für 2 Kinder ist.
2. Warum hört der Typ, der alles immer hinterfragen will, plötzlich auf Dinge zu hinterfragen?
Ich wies schon auf die Bedeutung von Familie hin und auf die "magische Sozialisierung" - warum lässt man Peter nicht darüber nachdenken, oder mit Beverly sprechen? Das würde zumindest ein bißchen closure für das Thema bringen, auch wenn man nicht noch en Detail beschreibt wie alle Kollegen wieder aus der Pampa eingesammelt werden.

Die Moral von der Geschichte: Entweder finde einen Weg deinen Plot umzusetzen, ohne die Kontinuität der Figuren zu vergewaltigen, oder lass den blöden Plotpoint einfach weg! So sehr es dir als Autor vielleicht gefällt, wir hätten alle ohne diese Konsequenzlosen 10Minuten Fairy Realm leben können (behaupte ich einfach mal;-).
Es ist eine harte Lektion im plotgetriebenen Schreiben, aber aus meiner Sicht alternativlos.

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