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18.05.2018

Bright. Oder: Warum man Drehbücher braucht

Interessanterweise ist ja "Was kukst du grade bei Netflix?" inzwischen eine beliebte Kaffeepausen-Smalltalk-Frage, die aber bei mir meistens irgendwo im Sand verläuft, weil die Doku-Serien, die ich bevorzugt "binge watche" kein Mensch kennt...;-)

Bright war da zumindest insofern eine angenehme Ausnahme, als das den Film auch Andere gesehen haben. Alles Weitere an diesem Netflix Original lässt mich aber vermuten, dass Netflix lieber bei Serien bleiben sollte. Eine Meinung, die ich nach langer Zeit auch mal wieder mit dem Honest Trailer teile.;-)




1. Wisst ihr wie sowas geht?
Irgendwo im Netz habe ich gelesen, dass dieser Film großteilig ohne Drehbuch produziert wurde. Ich habe keine Ahnung, ob das stimmt, aber es würde Einiges erklären - zum Beispiel warum die visuellen Effekte und Ideen so unfassbar viel besser sind als die schmerzhaften Dialoge, oder die verwirrend herumwandernde Handlung, oder die Holzhammer Message...
Sollte es also stimmen, muss ich davon ausgehen, dass man bei Netflix die Arbeit talentierter Drehbuchautoren nicht wirklich zu schätzen weiß. Natürlich kann ein großteilig improvisierter Film auch lustig oder interessant sein - bei Thor: Ragnarok hat's ja scheinbar besser funktioniert - aber es kann auch ziemlich merkwürdige Grütze dabei herauskommen. Sorry, dass das so angefressen klingt, aber es ist einfach eine so verschwendete Idee...
Und da hilft es übrigens auch nicht, dass man tolle Verschwörungstheorien darüber spinnt, dass "die bösen Kritiker" den Film ja nur verissen haben, weil Hollywood die Streaming- Konkurrenz klein halten will. Zuschauerzahlen bei Netflix mit Zuschauerzahlen im Kino zu vergleichen halte ich für ziemlich schwierig, mit meiner Sofa-Flatrate bin ich viel unvorsichtiger, als bei einem Kinofilm, für den ich Geld bezahlen und - was noch schlimmer ist - mein Haus verlassen muss. Und dass ein Film bei vielen Menschen beliebt war/ist, heißt ja mal noch gar nichts, es gibt Menschen, die mögen Transformers 3...;-P

2. Hauptcharakter und Worldbuilding Salat
Ich kann relativ simpel schon an den ersten paar Minuten des Films aufzeigen was daran großartig war und was frustrierend schlecht - für den Rest copy und paste man dann diesen Ablauf ca. 300x, bis man auf die Laufzeit kommt.^^
Der Film eröffnet mit einer der besten Non-verbalen Wouldbuilding Ideen, die ich seit langem gesehen habe, indem er die Real-Fantasy-Geschichte und "Orks sind hier wie Schwarze"-Rassenkampf-Problematik anhand von Graffitis zeigt. Das fand ich eine wirklich, wirklich interessante Idee - ja, der Honest Trailer hat insofern Recht, als dass es ein wenig mehr Unterschiede zu unserer Realiät hätte geben können, weil sich Drachen und Wolkenkratzer rein intuitiv nicht so gut vertragen, aber das halte ich für optional. Wenn der Rest gestimmt hätte, hätte ich darüber hinweggesehen, ABER.

Aber leider geht es dann darum unseren Hauptcharakter in dieses Worldbuilding einzupassen und der ist Will Smith als generischer Cop - kein Problem mit Typecasting, wenigstens kann er das - mit gespaltener Persönlichkeit, oder wilden Stimmungsschwankungen.
Ehrlich, in seiner ersten (!) Szene erschlägt er ein Vogel-Ding-Fairy-Wesen und sagt wörtlich: "Fairy lives don't matter here."
Diese kurze Szene an sich ist so facepalm würdig, wie es schlimmer schon fast nicht geht, denn a) selbst wenn Fairys in dieser Realität sowas wie Ratten mit Flügeln sind, fänden wir einen Hauptcharakter dessen erste anerkannte Handlung in einem Film es ist eine Ratte zu blutigem Matsch zu prügeln, nicht iiiirgendwie...merkwürdig? Und b) wenn es so anerkannt ist, dass Fairys in dieser Welt das Equivalent zu Spinnen sind, bei denen man einhellig der Meinung sein muss, dass sie zermatscht gehören*, kommentieren wir das dann? Seid ihr schonmal hingegangen, habt eine Spinne erschlagen und dann zu euch oder euren Nachbarn gesagt: "Spinnenleben zählen hier nicht!"...?

Worldbuilding, das sich nur erklärt, indem man Figuren ihre Lebensrealität kommentieren lässt, sollte eines der großen NONONOs der Fantasy sein, aber neeeeiiiin...Immer noch erleben wir Charaktere, die equivalent solche Dinge von sich geben wie: Deutschland, das Land, in dem ich wohne, hat schon seit vielen Jahren eine parlamentarische Demokratie, die....*schnaaaarch*
Leider werden auch alle anderen "Messages" dieses Films mit genau derselben Holzhammer Methodik in den Zuschauer geprügelt, bis es fast schon unabsichtlich komisch wirkt und (und das ist es was ich wirklich übel nehme) das wunderbar subtil angelegte Graffiti Ding vom Anfang völlig aushebelt.
Hinzu kommen noch faule Einbahnstraßen, wie die Tatsache, dass es Schwarze-Gangsterbanden und Hispano-Gangsterbanden Klischees scheinbar trotzdem noch gibt, aber das kann man ja im Trailer schon bewundern.

Und addieren wir dann! noch! hinzu!, dass sich unser Hauptcharakter schon innerhalb der ersten 10 Minuten mehrfach umentscheidet von
"Ich beschwere mich bei meiner Frau darüber, dass ich einen Ork-Partner haben muss"
"Ich erkläre meiner Tochter, dass Orks diskriminieren böse ist"
"Ich mache meinen Ork-Partner aus völlig unnachvollziehbaren Gründen dafür verantwortlich angeschossen worden zu sein"
"Ich wiederspreche meinen rassistischen Arschlochkollegen, weil Rassismus ja böse ist"
"Ich beschwere mich bei meinem Boss darüber, dass ich einen Ork-Partner haben muss"
"Ich lasse meinen Ork-Kollegen nicht einen Moment des ganzen Films vergessen, dass ich eigentlich was gegen Orks habe und wir deswegen keine Freunde sein können"
dann wird aus dem "Ok, der Typ ist ein wenig brutal drauf was die Beseitigung von Schädlingen angeht" ein "Oh mann dieser Typ sollte dringend mit einem Psychiater sprechen und das am besten Off-Screen, denn ich kann ihn nicht mehr sehen".

Mir hat die Grundidee eigentlich mal gefallen, aber ich würde gerne diesen Film nochmal in der Hälfte teilen - über die völlig verwirrenden Dinge, die passieren, wenn irgendwo einfach "Magic" draufgepackt wird, haben wir ja nicht mal gesprochen^^ - eine vernünftige Psychodispo für die beiden Hauptfiguren entwerfen und das zum Piloten einer Mini-Serie machen. Dann hätte man evt. auch Zeit nicht alles so faul und halbgar anzudeuten und sich ein paar wirklich gute Gedanken dazu zu machen, was man aus "die Orks sind eigentlich die Schwarzen hier" noch hätte rausholen können.

Leider lässt mich das wohl keiner tun, also kann ich leider auch nur 1,5 von 5 Zauberstäben für einen ziemlich verhunzten guten Ansatz vergeben. Schade.

*Und selbst bei Spinnen finde ich das keineswegs!!!

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