So, heute wird's mal persönlich, das heißt heute reden wir mal über Dinge, die in meinem Hirn so stattfinden - ok, zugegebenermaßen tun wir das auch, wenn wir über Bücher, Filme oder sonstwas reden, aber heute geht's ausnahmsweise mal nur und hauptsächlich um Dinge, die in meinem Hirn stattfinden.
Wer sich jetzt also denkt 'Oh nein, wen soll das denn interessieren? Mein Todesstern steht kurz vor der Perfektion & ich muss noch das Doodle auswerten, in dem alle meine bösen Schergen darüber abstimmen durften welchen Planeten wir als erstes zerstören!' der sei entschuldigt. Wer aber beim Lesen des Titels so das diffuse Gefühl hatte, das das auch ihn betreffen könnte, sei herzlichst eingeladen zur Expedition mit dem Arbeitstitel "Warum 'Was kukst du grade bei Netflix?' anfängt mich tierisch zu nerven." ;-)
Ich schrob letztlich darüber, dass ich nicht wirklich viele Dinge bei Netflix verfolge und wenn, dann sind es meistens Dinge, die a) niemand sonst kennt oder gesehen hat (oder spannend findet) und b) die mir daher niemand außer Netflix undurchsichtiger Vorschlagsalgorythmus empfohlen hat.
Ich hatte das Gefühl das erzeugte ein wenig Irritation, denn ich fand mich in einigen Gesprächen wieder*, deren freundlicher Tenor am Ende war "Na toll, wenn dich das eh nicht ineteressiert, dann spar ich mir meine Tipps demnächst." mit der Zwischen-den-Zeilen-Option von "Pff, die tolle, tiefgreifend meine Welt verändernde Serie XY kukst du dir nicht an, aber für dumme Actionfilme mit The Rock hast du Zeit.".
Die Zwischen-den-Zeilen-Option ist natürlich ausschließlich in meinem Kopf entstanden, die Nachticht entsteht beim Empfänger blabla, aber ich tue jetzt einfach mal so, als wäre sie real dagewesen, um meinen Punkt zu machen, der da wäre:
Empfehlungen zu Medien (Bücher, Filme, Serien, Musik, irgendwas) von wohlmeinenden Menschen haben in letzter Zeit die Tendenz bei mir eine negative Spannung zu erzeugen, weil ich meine darin eine Erwartungshaltung zu erkennen. Das mag total falsch sein, aber führt dazu, dass sich vor meinem Inneren Auge immer öfter dieser Berg an "Filme, die ich noch sehen wollte", oder "Serien, die bestimmt total spannend sind", oder "Bücher, die man unbedingt gelesen haben sollte" auftürmt, von dem ich nicht das Gefühl habe, dass ich ihn jemals abtragen kann.
Und wie so oft, wenn sich Aufgaben vor dem Inneren Auge auftrümen, die so unbewältigbar scheinen, dass man gar nicht weiß wo man anfangen soll, entwickelt sich daraus die vermutlich menschliche Reaktion einfach gar nichts zu tun. Es gibt viel zu tun, lassen wir es liegen und so.;-)
Vielleicht ist das eine Gefühllage, mit der ich nicht alleine bin, denn vermutlich ist es einfach so, dass jedes Jahr mehr "interessante"** Medien produziert werden, als man in einem Jahr konsumieren kann, wenn man nicht einen Hauptteil seiner Freizeit dafür aufwendet. Also wird der Berg für viele Menschen vermutlich immer größer und daher dieser Blogpost, denn ich habe mir ein paar Gedanken gemacht wie man damit umgeht.
1. Produktive vs Unproduktive Freizeitgestaltung (oder auch Gespräche mit dem Zensor)
Dieser erste Punkt mag jetzt die Stelle sein, in der es vor allem um die Funktionsweise von meinem Hirn geht, aber bear with me.;-)
Wie ich schon öfter beschrieb, teilt mein Hirn, meine "Freizeit" - in der Definition von "Zeit, die ich nicht mit Arbeiten, Putzen, Kochen, Duschen, Waschen oder anderen Dingen verbringen muss, die zu einem erwerbstätigen, zivilisierten Leben notwendig sind" - in produktive und unproduktive Tätigkeiten ein.
Produktive Dinge sind dabei Dinge, die irgendwas herstellen bzw. verbessern, z.B. Nähen, Sport, Gärtnern, Basteln, Bloggen, Podcasten oder auch Schreiben. Diese Dinge machen das Selbstdisziplin und -Kasteiungszentrum meines Hirns glücklich und verhindern, dass es mich in regelmäßigen Abständen daran erinnert, dass ich nur nutzlos Platz verbrauche und Luft wegatme - ich nenne es liebevoll "den Zensor" und nein, ich brauche keine Therapie, danke.;-)
Passiver Medienkonsum ist daher unproduktive Freizeit und diese negative Konnotation ist eventuell das (oder mein) erstes Problem. Vielleicht würde es also dabei helfen sich beim Rummgammeln und Serien glotzen besser zu fühlen, wenn man mehr aus den Medien ziehen würde, die man so konsumiert?
Indem ich über Filme, Serien und Bücher im Sinne von "was kommt dazu in den Blogpost" nachdenke, mache ich den Zensor schon ein wenig glücklicher. Man kann aber auch weniger Kopflastig drangehen und sich einfach ein Hörbuch von dem "Buch, das man dringend gelesen haben sollte" runterladen und es beim Sport hören, oder beim Putzen. Oder die Serie binge watchen während man den neuen Winterpulli häkelt...Den Berg abtragen quasi, während man Dinge tut, die getan werden müssen, oder die einen andersartigen Mehrwert generieren. Multitasking rules!
Dann gibt es aber auch wieder Menschen, die behaupten, dass man ein Medium gar nicht "genießen" kann, wenn man es ständig schon mental seziert, bevor man es überhaupt beendet hat, und/oder nur so "nebenbei" laufen lässt, aber denen hilft dann vielleicht Punkt 2.
2. Limitationen Akzeptieren. Oder: Was auf dem Grabstein steht.
So richtig gut funktioniert Punkt 1 alleine genommen nicht, habe ich schnell festgestellt, denn über Geschichten (in welcher Darreichungsform auch immer) detailiert nachzudenken und sie quasi mental schon in Blogform zu pressen, während sie gesehen werden, benötigt viele mentale Kapazitäten. Und wenn ich Schreibe - sprich an einer neuen eigenen Geschichte arbeite - was mehr oder minder fast immer der Fall ist, dann ist meine Aufnahmekapazität für fremde Fiktion sehr begrenzt. Das soll jetzt nicht so ein "Ich brauche keinen Fremdinput" prätentiöser Mumpitz sein, sondern einfach eine Feststellung - neue Medien zu konsumieren ist einfach "anstrengender" in dieser mentalen Konfiguration, als z.B. Dinge zu lesen/sehen, die man schon kennt oder die nicht so fiktional sind. Falls man sich je gefagt hat, warum ich so viele Dokuserien und Sachbücher konsumiere- that's why.
Wenn man also eine ähnliche Einschränkung hat, was die Kombination von mehreren Aktivitäten angeht, oder einfach zu den Menschen gehört, in deren Hirn sich "genießen" und "drüber nachdenken" ausschließt, dann steht man plötzlich wieder vor dem Problem des unübersichtlichen Bergs, es sei denn man hat wirklich nichts anderes im Leben zu tun als Arbeiten, Essen, Schlafen und Fernsehen - was für die Wenigsten zutreffen dürfte.
Für diesen Fall habe ich auch in den eingangs erwähnten Gespärchen ein Idiom genutzt, dass der Zensor entwickelt hat: Was nacher auf dem Grabstein steht. Das klingt jetzt ein wenig makaber, hilft aber tatsächlich!;-)
Wenn man (aka ich) also mal wieder das Gefühl hat, dass gar nicht genug Lebenszeit verfügbar ist, um alle Medien zu konsumieren, bei denen es sich vermutlich lohnen würde, dann kann man sich ganz entspannt zurücklehen und sich fragen: Wird das nacher auf meinem Grabstein stehen?
In einem theoretischen Szenario, in dem unsere Lieben gezwungen sind ein Epitaph zu formulieren, wollen wir dann, dass sich sowas schreiben wie: Hatte immer ein offenes Ohr für seine Freunde, hatte ein Händchen fürs Reparieren von Dingen, war gerne in der Natur unterwegs oder hat sich liebevoll um seine Familie und/oder Haustiere gekümmert.
Oder wollen wir, dass da steht: Hat sämtliche Folgen von Netflix Serie XY gesehen?
Mir ist sehr bewußt, dass der eine überspitze Darstellung ist und vielleicht findet man das geschmacklos, daher habe ich noch einen TED Talk beizusteuern, der mir beim Überdenken meiner Freizeitplanung sehr geholfen hat:
Es klingt banal, aber wenn man "zu xy habe ich keine Zeit" tatsächlich mal konsequent umformuliert in "xy ist grade nicht meine Priorität", dann ist das unglaublich erhellend.
Und dann gibt es ja noch Punkt 3 -Pausendisziplin!
Meine Gespräche mit dem Zensor haben mir beigebracht, dass Pausendisziplin eine ernstzunehmende Sache ist. 100% bedeutungsvolle, aktive Tätigkeit in Körper und Geist sind ein sicheres Rezept in der Klapsmühle zu landen (man entschuldige diese, meine flapsige Ausdrucksweise).
Es ist also zwingend notwendig einen Teil seiner Freizeit im wahrsten Sinne des Wortes mit "Durchhängen Lassen" zu verbringen. Und in diesem Zeitfenster gibt es dann auch wieder Platz für Medienkonsum, ohne größere Geistesanstrengung, es sei denn man hängt besser durch beim Meditieren oder Spazieren gehen*** - dann muss man das in der Prioritätenliste weiter hochrücken.;-)
Sollte es also nicht nur mir so gehen, dass sich manchmal Ermüdungserscheinungen zeigen beim Gedanken an all die Dinge, die wir noch sehen/lesen/spielen/hören wollen, oder die es vielleicht wert wären getan zu werden, dann hoffe ich, dass diese Schritte auch anderen weiterhelfen. Vielleicht kann man eine Schnell-Checkliste für Zufriedenstellende Freizeit daraus machen:
1. Kannst du was immer du grade tun willst/was dir gerade empfohlen wurde so konsumieren, dass es sich mit anderen Dingen kombinieren lässt, die du tun willst?
2. Falls nicht, ist es gerade wirklich eine Priorität? Findest du es wichtig genug, dass es auf deinen Grabstein soll?
3. Falls ja, passt es in deine Pausenzeiten?
Auf diese Weise filtert man (aka me) die Dinge aus, die sich gut anfühlen und lernt damit zu leben, dass der Berg davon in keister Weise kleiner wird.;-)
Und die Moral von der Geschichte? Man kann mir immer gerne Dinge vorschlagen, aber man muss damit leben, dass die Liste von Dingen, die gerade keine Priorität haben, ziemlich lang und meine Pausenzeiten begrenzt sind. Vielleicht passt es irgendwann irgendwo rein, vielleicht nicht. In diesem Fall, bitte nicht persönlich nehmen!
*mit Menschen die den Blogartikel in question gelesen hatten, aber auch mit Menschen, denen ich einfach sagen musste dass ich ihren Empfehlungen was Serien, Filme und Bücher angeht immer noch nicht gefolgt bin.
** nach persönlich-individueller Definition
*** ooooder für euch läuft Spazieren Gehen unter Sport und Meditation und Dinge verbessern, dann fällt es nicht in die Pausenzeit...wie man sieht ein hochgradig individuelles Definitionsding...:-)
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Vielen Dank!