Ok, ich hatte es versprochen und heute machen wir es mal wahr und sprechen mal etwas anders über True Crime - vor allem weil ich bald Geburtstag habe und immer noch darauf hoffe, dass alle Weisheit über das Leben, das Universum und den ganzen Rest auf mich hereinbricht, sobald ich 42 werde. Wer die Anspielung versteht, bekommt ein goldenes Gummipünktchen. ;-)
Ich sah in letzter Zeit sehr viel Netflix True Crime über die richtig großen Fälle der Geschichte - quasi die Fälle, über die schon fast alles gesagt ist, auch wenn manchmal vielleicht noch Details und Perspektiven dazukommen, die man vorher nicht so auseinanderklmüsert hat.
Und eines dieser Details, das immer und immer und immer wieder in diesen ganzen Dokus auftauchte, bis ich mir irgendwann dachte ... hm, interesting ... ist die Tatsache, dass es in diesen high profile Fällen sehr schnell dazu kommt, dass Menschen die "beste Geschichte" präferieren, egal ob diese Geschichte was mit den Fakten zu tun hat. Soweit so unüberraschend, wir sind eine narrative Spezies yadda yadda, aber mein Verständnis hört oft schon bei dem unendlichen kommerzialisieren von wilden Theorien in den Medien auf. Jeder will seine Zeitung verkaufen und je mehr Ausrufezeichen und ClickBait deine Überschrift hat, desto weniger interessiert es den real gelebten Kapitalismus, dass diese Art von Halbwahrheiten und einfach nur Lügen das Leben von Menschen betrifft und keine fiktiven Charaktere im neusten Crime Serial.
Was mich aber an O.J. und JonBennet Ramsey und und und, bis hin zu in diesem Fall den Morden von Charles Manson und dem Verschwinden von Madeline McCann noch viel mehr aufregt, ist die Tatsache, dass dieses "wir machen die beste Geschichte zu Geld" nichtmal vor Menschen wie Ermittlern und Anwälten halt macht ... ich meine ... maybe it is just me, aber hat das nicht einen unfassbaren Ekel-Faktor, wenn der Staatsanwalt in einem Prozess quasi schon seinen Bestseller schreibt, während die Verhandlung noch läuft? Oder der Chefermittler schon mental seinen Bestseller schreibt, während er eigentlich noch unbeeinträchtig von Vorurteilen ermitteln sollte? Wie?! Wie ist das kein Interessenskonflikt? Man erkläre es mir, ich verstehe es nicht ...
Um kurz auf die Dokus einzugehen, um die es in diesem Post eigentlich gehen sollte und die ein sehr gutes Bespiel abgeben:
In dem 1,5Std Film über Charles Manson lernen wir gleich 3 verschiedene Theorien zu den Manson Family Murders kennen und man wird vielleicht schon an meiner Wortwahl erkennen, wie ich dazu stehe. ;-)Der einzige Mensch, den man gefragt hat und der Charlie tatsächlich schon kannte, bevor er ein berühmter Serienkiller war (technisch gesehen nicht das richtige Label, I know, aber ihr wisst was ich meine), ist der Meinung er wollte, dass seine Anhänger diese Verbrechen begehen, damit er sie besser kontrollieren und damit erpressen kann. Und deswegen hat er sie zu dem Haus geschickt, in dem früher der Musikproduzent wohnte, der sein Demo nicht annehmen wollte. Dass der da schon lange nicht mehr wohnte und stattdessen Sharon Tate und andere, war ihm nicht klar. Achso ja, und er wollte, dass seine Leute ein paar Slogans an die Wand schmieren in der Hoffnung, dass man die Black Panther verdächtigen würde und nicht ihn. Fragiles Ego und Kontrollsucht gepaart mit Unfähigkeit eine Adresse zu recherchieren. Theorie 1.
Die bestselling Theorie des Staatsanwalts, auf die er im ganzen Prozess hingearbeitet hat, weil sich mit einer Verurteilung mehr Bücher verkaufen lassen (grrrr....), war eine großanlegte Verschwörung, um einen Rassenkrieg anzuzetteln. Brave amerikanische Bürger sollten Angst haben vor diesen Schwarzen und Hippies, die sie alle umbringen wollen, weil ein kaum noch kohärenter Cold-Turkey-Junkie das im Gefängnis so vor sich hingebrabbelt hat - vielleicht um davon abzulenken, dass seine "lasst uns das den Black Panthern anhängen" Masche so unfassbar diletantisch war, dass das keine 5Minuten jemand geglaubt hat.^^ Angst verkauft Bücher. Theorie 2.
Und dann kommt in dieser Doku noch ein dritter Typ irgendwoher und fabuliert vor sich hin, dass Charlie nie ohne Hilfe ein total kontrollierender Guru-Typ hätte werden können und dass die Polizei ihn absichtlich wochenlang nicht verfolgt hat nach den Morden, weil er ein Teilnehmer an einem geheimen CIA Gedankenkontrolle Experiment war. Ähm ja, Menschen die auf Ziegen starren, Manson Edition. Theorie 3.
Ich finde es fast schon niedlich, dass es Leute gibt, die der CIA (oder Ermittlungsbehörden im Allgemeinen) soviel Kompetenz für diese Art von Verschwörungen zutrauen, aber es nicht plausibel finden, dass Menschen wie Charles Manson einfach gut darin sind verwundbare Seelen auszubeuten (die Drogen helfen vermutlich...) und die Polizei einfach lahmarschig und inkompetent sein könnte.^^ Aber auch hier spielt vermutlich einfach eine Rolle, dass man die beste Geschichte verkaufen will.
In der Maddie Doku ist das ähnlich, auch wenn CIA Komplotte nicht wirklich zum Tragen kommen. Aber die Polizei sieht hier auch teilweise nicht sehr gut aus und daran ändert auch der Bestseller des Hauptermittlers nichts, in der er die Theorie "die Eltern warns" einfach mal zu Geld macht, nachdem man ihm gesagt hat, dass er leider nicht genug Beweise hat und das nicht vor Gericht gehen kann. Und das soll jetzt keine Stellungsnahme sein, dass ich weiß was in diesem Fall passiert ist - sollten die Eltern *immer* verdächtig sein, wenn irgendwas mit Kindern passiert? In jedem Fall, es ist zu oft einfach berechtigt. Aber wenn sich deine Theorie als Chefermittler (grrrr...) darauf beschränkt immer weiter Dinge zu behaupten, wird das irgendwann albern: Sie haben die Kinder betäubt! - Wurden die Geschwister getestet? - Nein, aber die Eltern sind Ärzte! - Ok, dann wo ist die Leiche hin? - Die war in einem Kühlschrank! - Ok, wie haben die Eltern kurzfristig (in Panik) einen so großen (versteckten) Kühlschrank aufgetrieben in einem Ferienhotel? - Haben sie halt! - Ok, und dann? - Dann haben sie die Leiche Wochen später verschwinden lassen! - Ok, und wie, wenn ihnen 24/7 Reporter nachlaufen? - Irgendwie halt! - Ok...Es sind nette Geschichten für einen fiktiven Krimi und das ist was mich so kolossal stört. Als Autorin kann ich den Impuls total nachvollziehen die beste Geschichte zu suchen und den Plot unterhaltsam zu gestalten, mit Twists und falschen Fährten und was weiß ich noch, damit die Geschichte Menschen gefällt (und sie Geld dafür bezahlen). Aber wenn du im realen Leben mit realen Menschen zu tun hast, finde ich diese Herangehensweise hochgradig problematisch.
Wenn es dir darum geht die beste Geschichte zu finden, schreib Bücher, aber bitte werde kein Staatsanwalt. Können wir uns vielleicht darauf einigen?
Ok, sorry, das war jetzt lang und vielleicht unnötig, aber ich wollte mir das mal von der Seele reden. Ich denke ich nehme mal wieder eine Pause von True Crime, die Hyperfixation ist ausgereizt und ich könnte mal wieder was mit Raumfahrt gebrauchen ... ;-)
Sollte ich euch jetzt aber noch nicht komplett gespoilert haben, schaut in die Dokus mal rein, es schult in jedem Fall die critical thinking skills und das ist ja immer ein Gewinn!
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Vielen Dank!