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31.01.2025

Nero. Oder auch: Was macht einen schlechten Kaiser aus?

Einen Nachtrag aus meinem Herbst-Lazarett habe ich tatsächlich noch, denn dieses Buch war tatsächlich selbst zu lang für eine Woche Corona-Quarantäne.

Aber wir haben lange nicht über das römische Imperium nachgedacht und Tyrannen und Wahnsinn sind doch bestimmt auch irgendwie passend zum Jahreswechsel ... oder so ...

Bevor wir jetzt also abtauchen in den vermeintlichen Abgrund antiker Egomanie, worum geht es überhaupt in Nero: Wahnsinn und Wirklichkeit?


Der römische Kaiser Nero fasziniert die Nachwelt seit eh und je: Er ist der Muttermörder und Brandstifter, der Tyrann und der exzentrische Anti-Kaiser, der sich zum Künstler stilisiert. Alexander Bätz entdeckt Nero neu, indem er sich dessen Leben und politischer Karriere über die Alltagsrituale des römischen Kaiserreichs nähert, die sozialen und politischen Institutionen beschreibt und durch die Neulektüre der Quellen auch Nebenfiguren des römischen Alltags in ihren Berührungspunkten mit Nero hervortreten lässt: Senatoren, die abhängig waren von ihrer Nähe zum Kaiser, einfache Bürger, die als Handwerker und Kaufleute ihr tägliches Auskommen im Moloch Rom suchten, jungfräuliche Priesterinnen, Intellektuelle, Soldaten und ehemalige Sklaven, die als Ammen oder Vorkoster dem Kaiser so nah kamen wie kaum jemand sonst.

Die Leser beobachten Nero so mit den Augen seiner Zeitgenossen und tauchen mit diesem Buch in ein farbenfrohes und lebendig beschriebenes Panorama des 1. Jahrhunderts ein. Ein originelles, modernes Buch über einen ewig aktuellen Topos: Nero.

Prinzipiell ist man bei mir mit Historien-Neubewertung immer an der richtigen Adresse, ich liebe gut gemachte Quellenskepsis und im Gegensatz zu Ms Beard bin ich auch nicht der Meinung, dass man an den "guten alten römischen Autoren" doch nichts mehr zu bekritteln findet.^^

 Im Gegenteil, hier gerade zeigt sich was passiert, wenn man antike und christliche Propaganda ein paar Jahrhunderte einfach mal nicht hinterfragt. Nicht, dass dabei zwangläufig ein symphatisches Porträt herauskommt - das ist in etwa so wie bei Kleopatra, man kann seine Familie umbringen, das macht einen nicht zu einem guten Menschen, aber zum personifizierten Bösen evtl. auch nicht. Oder frei nach meiner Erinnerung an irgendein Medienzitat, das ich nicht zugordnet kriege: Nur weil man eine Sünde begeht, heißt das nicht, dass man alle begehen muss. Wer mir sagen kann, wo dieses Zitat herkommt, kriegt einen goldenen Gummipunkt, oder ein Eis, denn ich komme zum verrecken nicht drauf... ;-)

Der Autor nimmt sich also Zeit und Muße die Propaganda von den historischen Wahrscheinlichkeiten zu trennen und antike "Historiker" nicht unhinterfragt beim Wort zu nehmen. Und es kristallisierte sich für mich eine interessante Kulturgeschichtliche Facette heraus, denn das Nero-Klischee ist ja das des selbstverliebten, sich selbst völlig überschätzenden Diletanten. Das scheint in keinster Weise belegt, aber für seine Zeitgenossen war er vor allem deswegen ein schlechter Mann/Kaiser, WEIL er offensichtlich kein schlechter Künstler war (oder sich zumindest die Mühe gemacht hat viel und ausdauernd an seiner künstlerischen Technik zu arbeiten, was meistens irgendwann bedeutet, dass man ein gewisses Können erreicht).

Während wir also davon ausgehen, dass er ein schlechter Kaiser war, (auch) weil er ein schlechter Künstler war, war es evtl. sogar umgekehrt. Er war kein besonders schlechter Kaiser (im Vergleich, Leichen hatten die ja alle im Keller^^), aber ein besserer Künstler und das war in den Augen der römischen Aristokratie einfach schlimmer.

Einen kleinen, ganz subjektiven Punkt ziehe ich trotzdem ab, denn mir war das Buch streckenweise zu langatmig - und das obwohl (oder in meinem Fall grade weil...) der Autor jedes Kapitel mit "fiktiven Szenen" einleitet, an denen er zeigen will wie unheimlich viel er recherchiert hat ... vielleicht sollte ich ihm mal unsere Podcast-Folge zum Worldbuilding nahelegen, wo wir ausufernd darüber sprechen, dass Info-Dumps, die ganze viele Recherche-Details enthalten trotzdem nicht zwangläufig spannend, oder notwendig sind. Aber es hat mir außer einem verständnisvollen, aber gelangweilten Seufzen jetzt nicht viel abverlangt von daher sind 4 von 5 Selleriestangen auf jeden Fall angemessen.;-)

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