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04.03.2015

Von Möchtegern-Trollen (Wochengedanke III)

Disclaimer: Diese Annekdötchen sind kurz zusammengebastelt und sollen/können keine erschöpfende Darstellung von irgendwas sein! Anregungen, Kritik und eigene Erfahrungen gerne in die Kommentare.

Ich bin seit letzter Woche noch ein wenig an dem Concern Trolling Thema hängen geblieben, weil ich über einen Artikel von Ragen gestolpert bin, der mich wieder daran erinnert hat, dass ungewollte und "gut gemeinte" Ratschläge uns nicht nur beim Arzt einholen können.

Zur Begriffsklärung - falls der Begriff nicht so geläufig sein sollte, das Prinzip kennt vermutlich jeder!;-) - concern trolling findet immer dann statt, wenn wir jemandem Ratschläge erteilen, um die er/sie nicht gebeten hat. Diese Ratschläge können mehr oder minder mit unseren eigenen Vorurteilen gespickt, oder auch neutral gemeint sein, aber der springende Punkt ist, dass wir unterstellen jemand würde irgendwas falsch machen (und wir hätten irgendwie das Recht das zu entscheiden). Der concern kommt daher, dass die meisten Menschen das aus (echtem oder vorgetäuschten) Interesse an "unserem Besten" tun und das impliziert die Erwatungshaltung, dass wir deswegen darauf positiv zu reagieren haben. Um das mal zu verdeutlichen:
"Man, seit dem Training gestern tut mir aber der Arm weh!"
"Welche Übung hast du denn gemacht? Vielleicht belastest du ja einseitig, oder hast eine Verspannung an der Stelle? Wenns eine Verspannung ist, kannst du mal XY versuchen, das hilft mir immer."
= Kein Problem
"Frauen, die Muskelaufbau trainieren sind so unattraktiv. Du wärest viel hübscher, wenn du mehr Cardio machen würdest." (nicht mir, aber einer Freundin wirklich so passiert!)
= Problem!
1. Hat keiner darum gebeten zu wissen, was der Sprecher als attraktiv empfindet, 2. ist es einfach unangebracht jemandem zu unterstellen, dass er nur Sport macht, um dadurch "hübscher zu werden" und einfach unfassbar unhöflich damit zu unterstelen, dass man es jetzt nicht ist.

Ich habe inzwischen wenig Geduld mit concern trolling, denn es ist einfach unnötig. Gut gemeint oder nicht, der Weg zur Hölle ist gepflastert mit guten Absichten und ich bin ein reflektierter, halbwegs intelligenter, erwachsener Mensch und wenn ich etwas tue, kann man davon ausgehen, dass ich mir der Konsequenzen bewußt bin und sie wissentlich in Kauf nehme. Sollte ich also Informationen, Tips oder Erfahrungsberichte in irgendeiner Form brauchen, werde ich danach fragen, Punkt.

Die schlimmste Art von concern trolling (meiner Meinung nach), ist aber nicht einmal die, die unseren Lebenswandel in Frage stellt - "Musst du das jetzt wirklich essen?", lässt sich ziemlich einfach mit einem überzeugten Ja! oder überzeugten Nein! abbügeln und danach kann man seinen Kuchen oder seine Pizza weiter genießen. Viel schlimmer sind die Menschen, die uns "zu unserem eigenen Besten" unsere Ziele und Träume wegnehmen wollen (darum geht es ja auch in dem Artikel).
Hier ein paar Beispiele mit denen ich bestimmt nicht alleine bin:

Zum Thema Studium:
"Willst du wirklich weiter Geschichte studieren? Damit kann man doch nur Taxifahrer werden."
- Nope, habe keinen Führerschein.
"Mach doch wenigstens Lehramt, das hat ja noch irgendwie einen Sinn."
- Danke, dass du mich darauf hinweist, dass du mein Studium sinnlos findest. Das hat jetzt was genau mit mir zu tun?
"Wen interessieren denn diese ganzen toten Leute/Bücher? Haben wir nicht schon genug nutzlose Menschen auf der Welt?" (kein Witz!)
- Leider gefallen mir Bücher besser als Diesel-Motoren. Wenn das bei dir anders sein sollte, ist das für mich ok, warum nicht für dich?

Zum Thema Schreiben und Hobbies allgemein:
"Wenn du kein Geld mit deinen Büchern verdienst, warum machst du das dann?"
- Bekommst du eigentlich Geld für dein Marathon-Training? Nicht? Warum machst du's dann?
"Wenn du nichtmal genug Motivation aufbringen kannst, dir einen Verlag zu suchen, kann das mit der Schriftstellerei nicht so wichtig für dich sein."
Weil Dinge nur einen Wert haben, wenn sie "erfolgreich" sind, schon kapiert.
"Warum willst du soviel Zeit und Energie mit irgendwas verschwenden, das nacher niemand liest?"
- Weil ich will!
"Warum gibst du soviel Geld für Malkram/Bastelkram/Nähkram aus, wenn du selber von dir sagst, dass du nicht besonders gut in diesem Kram bist?"
- 1. siehe oben und 2. Weil es mein Geld ist.
"Wieviel Geld du schon für irgendwelche Kostüme ausgegeben hast, die du nie wieder anziehen wirst!"
- 1. Schön, dass du in die Zukunft sehen kannst, wie wäre es mal mit Lotto-Zahlen? und 2. siehe oben.

Ich habe die wenigstens Antworten wirklich so gegeben, denn ich glaube fest an aggressive Freundlichkeit im Umgang mit meinen Mitmenschen - einfach Lächeln, Nicken, Arschloch denken, kürzt diese Disskussionen einfach ab!;-) - aber manchmal denke ich, es wäre vielleicht besser gewesen auf die eine oder andere Auseinandersetzung mal einzusteigen, um mal die naheliegenden Fragen zu stellen:
Warum willst du mich von etwas abhalten, dass ich gerne tun will?
Was ist das Schlimmste, das passieren kann?
Das ich scheitere an etwas, das ich tun will? Na und?
Dann lebe ich damit, versuche es nochmal, oder mache etwas anderes!
Wie ist das schlimmer, als es gar nicht erst zu versuchen?

Ich leihe mir dazu mal das Zitat von Theodore Roosevelt:
"It is not the critic who counts; not the man who points out how the strong man stumbles, or where the doer of deeds could have done better. The credit belongs to the man who is actually in the arena, whose face is marred by dust and sweat and blood, who strives valiantly; who errs and comes short again and again; because there is not effort without error and shortcomings; but who does actually strive to do the deed; who knows the great enthusiasm, the great devotion, who spends himself in a worthy cause, who at the best knows in the end the triumph of high achievement and who at the worst, if he fails, at least he fails while daring greatly. So that his place shall never be with those cold and timid souls who know neither victory nor defeat."
 Besser kann ich es auch nicht sagen!:-)

2 Kommentare:

  1. Moin!

    Zwei Gedanken von mir noch dazu …

    Zum einen:
    Auf das "[wenn] das nacher niemand liest"-Argument reagiere ich noch aus einem anderen Grund ganz allergisch. Denn es liest ja nicht *niemand*. Vielleicht lesen es *wenige* – aber das ist schon etwas anderes.
    Und wenn es nur einer liest, der Partner oder der beste Freund vielleicht – ist das kein wertiges Publikum?
    Leute haben ohnehin eine völlig kaputte Vorstellung davon, was Buch-Absatzzahlen angeht, aber nirgends wurmt mich das so wie in diesem Zusammenhang.
    Was ich immer wieder gerne erzähle und du ggf. auch schon mal in meinem Blog gelesen hast – wenn es meinem Vater gut genug war, sich viele Jahre jeden Tag Geschichten auszudenken um die genau einer Person (mir) zu erzählen, wie arrogant müsste ich denn sein, mich nicht über jeden einzelnen Leser bereits groß zu freuen?

    Und zum Thema Concern Trolls:
    Unter www.rogerebert.com/mzs/watching-aliens-for-the-first-time-again-with-a-bunch-of-kids ist ein wunderbarer Artikel erschienen über einen Mann, der mit einer Horde Kinder das erste Mal "Aliens" geschaut hat. Die Kinder haben grob das Alter, in dem ich die Filme auch das erste Mal gesehen habe – und es war eine besondere Erfahrung. Bei denen ebenso wie damals bei mir.
    Ich finde den Artikel lesenswert und ich glaube, wenn man ihn mit den richtigen Augen liest, kann man sich auf vieles rückbesinnen, was einen selbst mal am mysteriösen Medium Film so gefesselt hat.

    Oder man schreibt die Kommentare mit wilden Diskussionen damit voll, ob die Kinder zu jung waren, er das Recht hatte ihnen das zu zeigen, ob das wohl mit den Eltern abgesprochen war … *seufz*


    Viele Grüße,
    Thomas

    PS: Bonus-Einwurf:
    ich hab zwar einen Führerschein, aber wer stereoblind ist, kriegt keinen Personenbeförderungsschein – Taxifahren ist auch bei mir raus ;)

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  2. Klar, seinem Kind Aliens zuzumuten ist ja auch quasi das schlimmste schlimme Trauma, das man sich vorstellen kann. *eyeroll*
    Manchmal frage ich mich in was für einer düsteren, angsterfüllten Welt manche Menschen leben müssen, um solche Kommentare ins Internet zu pusten?
    Dass wir Angstgetriebene Viecher sind, ist mir schon klar - so ziemlich jede Fernsehwerbung funktioniert darüber, dass wir Angst haben sollen vor irgendwas - aber man kann es auch übertreiben. ;-)

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Vielen Dank!