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11.03.2015

Die Generation Dagegen (Wochengedanke IV)

Disclaimer: Diese Annekdötchen sind kurz zusammengebastelt und sollen/können keine erschöpfende Darstellung von irgendwas sein! Anregungen, Kritik und eigene Erfahrungen gerne in die Kommentare. 

Eigentlich war mein Post für diese Woche schon fertig und sollte was mit Dingen aus Büchern zu tun haben - aber das verschiebe ich mal auf nächste Woche, denn eine andere Geschichte vom Montag Morgen beschäftigt mich grade mehr:
Es begab sich, dass ich am Montag Morgen ins Wohnzimmer geschlurft kam, als die Nachrichten gerade vorbei waren und das Morgenprogramm des Frühstücksfernsehens weiterging (nein, ich will an dieser Stelle nicht darüber sprechen wie schlecht das deutsche Fernsehen ist, oder wie ungerechtfertigt GEZ Gebühren sind, oder wie "neutral" unsere Nachrichten sind - einfach weiterlesen, ok??;-). Thema eines ungefähr 10-minütigen Beitrags war so etwas wie "Der Shitstorm der Woche", den sich laut Aussage des Voice-Overs in dieser Woche 2 Männer teilen: Sebastian Edathy und Andreas Kümmert.

Nun mag es ja Menschen geben, die aus verständlichen Gründen keine Medien konsumieren, also fasse ich das nochmal ganz kurz zusammen:
Andreas Kümmert war Sieger von The Voice of Germany 2013, ist beim deutschen Vorentscheid des ESC 2015 angetreten und hat gewonnen - und daraufhin kurzfristig aufgrund von körperlichen, seelischen, wasweißichwas-Gründen erklärt den Sieg an die 2. Platzierte weiterreichen zu wollen. Das finden einige Menschen ärgerlich, weil es den Wettbewerb verzerrt und man die Belastungen der Situation (vermeintlich) vorher hätte absehen können.
Sebastian Edathy war Mitglied des Bundestages, war angeklagt Kinderpornographie zu besitzen und konnte aufgrund mangelnder Beweise in der letzten Woche gegen eine Geldauflage den Prozess gegen sich abwenden. Das ärgert viele Menschen, da nicht klar werden konnte wann/woher er über die Ermittlungen gegen eine Kinderporno-Webseite, bei der er "Kunde" war, informiert war, ob/in welchem Umfang ihm sein "Politiker-Netzwerk" geholfen hat Beweise aus der Welt zu schaffen und nicht zuletzt seinen Arbeitslaptop - von dem nachgewieserweise verdächtige Webseiten angesteuert wurden - als gestohlen zu melden, weswegen er nicht als Beweismittel genutzt werden konnte. Zu guter Letzt ärgert man sich darüber, dass er nur deshalb behaupten kann vielleicht etwas moralisch fragwürdiges, aber nichts illegales getan zu haben, weil die Gesetzgebung zur sexuellen Ausbeutung von Kindern in Deutschland vor dieser Geschichte zu wünschen übrig ließ.

Und diese beiden Umstände sind nun also die "Shitstorms der Woche".
Ich muss gestehen, da ist mir doch erstmal das eine oder andere aus dem Gesicht gefallen - nicht zuletzt, weil ich an Stelle von Herrn Kümmert überlegen würde, ob ich in einem Atemzug mit einem potentiellen Kinderschänder in den Medien erscheinen will und ob ich dagegen rechtlich vorgehen wöllte - aber dann habe ich mich ein wenig zurück genommen und mir ist der Gedanke gekommen, dass das eigentlich Problem vielleicht nicht ist, dass diese beiden "Fälle" nicht vergleichbar sind, sondern eben die Tatsache, dass es wenn man sich Twitter, Facebook und Konsorten ansieht, eben tatsächlich keinen Unterschied zu machen scheint?

Man verstehe mich nicht falsch, ich bin absolut allergisch auf diese ganzen "Die Welt hat doch wohl wichtigere Probleme"-Ausreden nie für irgendwas einzustehen und es anderen auch gleich madig zu machen - ich weiß nicht wozu das gut sein soll, es sei denn man geht tatsächlich davon aus, dass irgendwann ein Höheres Wesen aus den Wolken niedersteigt, um der Welt ein für allemal zu verkünden, was denn nun DAS wichtigste Problem der Welt ist, das wir alle angehen dürfen, ohne uns vor solchen Typen rechtfertigen zu müssen.

Aber in Zeiten des "Shitstorms der Woche" scheint mir doch viel von der eigentlichen sozialen Treibkraft der Social-Media-Idee verloren zu gehen, weil es beinahe dieselben unangemessenen, beleidigenden und hasserfüllten Kommentare erzeugt, ob oder nicht jemand zu einem Gesangswettbewerb fahren will, oder ob oder nicht jemand Fotos von nackten Kindern konsumiert. Irgendwas läuft doch da schief, oder?

Ich bin ein Optimist und halte das Internet für eine der größten Errungenschaften der Menschheit, aus vielen verschiedenen Gründen, aber es beunruhigt mich ein wenig, dass große Teile des Internets scheinbar nur noch zum "Flamewar des Tages" genutzt werden, ohne jegliche Relation, fernab von "die Welt hat wichtigere Probleme!", hin zu "warum ist das überhaupt ein Problem?".

Mir sind btw. alle Schwächen dieser Argumentation bewußt, angefangen bei "was ich als problematisch empfinde und was nicht" hin zu den mit Sicherheit deutlich erkennbaren Unterschieden im Kern der beiden Debatten.
Aber die Medien, die wir erschaffen, bilden unsere Relaität ab und wenn diese beiden "Fälle" wie selbstverständlich nebeneinanderherlaufen, muss man sich Fragen, ob das Phänomen Shitstorm eigentlich noch irgendwer ernst nimmt? Man könnte und kann damit nämlich auch positive Dinge anstoßen, aber so beliebig und reflexartig wie es genutzt wird, ist es nur Ausdruck der "Generation Dagegen".

Ich finde das ermüdend und nicht nur ein bißchen enttäuschend.

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