So. Hm. Was kukst du grade bei Netflix? Ehrlich, ich weiß es nicht. Diese Doku war so verwirrent wie der Fall, den sie angeblich "behandelt". Nun bin ich eigentlich nicht so überzeugt davon, dass man Dokus wie Filme oder Serien behandeln sollte, weil die Darreichungsform doch andere Prioritäten setzt.
Aber eine Doku, die sich zum Ziel setzt eine verwirrende Reihe von Events in eine koheränte Erzählung zu bringen - zumindest habe ich die Intention so verstanden^^ - muss sich gefallen lassen, dass man die Koheränz ihrer Erzählung betrachtet. Und oh my...dabei kommt Evil Genius mal so gar nicht gut weg.
Aber mal der Reihe nach - worum geht es? Ich habe mal Wikipedia bemüht, denn die Details dieses merkwürdigen Raub-Mord-Verschwörungs-Wasauchimmer alleine sind schon verwirrend genug ein ganzes Buch zu füllen:
Brian Douglas Wells (November 15, 1956 – August 28, 2003) was an American man who died after becoming involved in a complex plot involving a bank robbery, a scavenger hunt, and a homemade explosive device. He was killed when the explosive collar that had been forcibly locked onto his neck, as part of the plot, detonated while he was in police custody in his hometown of Erie, Pennsylvania. Investigated by a task force led by the Federal Bureau of Investigation in conjunction with the Bureau of Alcohol, Tobacco and Firearms and the Pennsylvania State Police, it was described as "one of the most complicated and bizarre crimes in the annals of the FBI". The Wells story was the subject of significant attention in the mass media, and the extent to which Wells was a willing participant has been debated. (Ich empfehle den Aritkel ganz zu lesen, ich warte dann solange...)
So, seid ihr alle fertig mit Lesen? Seid ihr daraus schlau geworden? Ich auch nicht. Und leider hilft uns Evil Genius auch nicht viel weiter, denn:
1. Deine Dokumentation ist ein Sieb
Wenn man es auf seine Essenz runterbricht, endet man bei diesem "Pizza Bomber" Fall bei einem ziemlich bizarren Bankraubversuch, mit einem Bombenhalsband, einer völlig unverständlichen Schnitzeljagdt und dem Tod des Opfers/Bankräubers. Am nächsten Tag spaziert ein Mann bei der Polizei vorbei, sagt seine Ex-Freundin hätte ihren Lover erschossen und der läge nun in seiner Kühltruhe. Das Haus mit der Leiche in der Kühltruhe ist das Einzige in der Nähe des Ortes an dem der Pizzabote überfallen wurde und im Folgenden verstricken sich Hauseigentümer und Ex-Freundin - nennen wir sie Bonny und Clyde - in wilde Widersprüche wer, wann, warum wen überfallen, umgebracht oder zum Bankraub gezwungen haben könnte.
Die Dokumacher verwenden dabei viel Zeit darauf zu untersuchen, ob der Pizzabote ein Komplize war, der von seinen Mitverschwörern gelinkt wurde, oder ob er das Opfer der Geschichte war. Diese Frage an sich war natürlich für die Anklage interessant, weil es um Mord oder Verschwörung mit Todesfolge und Todesstrafe ja oder nein ging, aber für den Zuschauer (aka me) war dieser Fokus ziemlich merkwürdig, denn ich hätte mal am Anfang angefangen, bei der Frage: WARUM?
Warum fand das irgendwer sinnvoll? Was sollte dieser hirnlose Plan bringen?!?
Man erfährt es nicht, genausowenig werden andere (wie ich finde) naheliegende Fragen geklärt, wie z.B.: Warum hat es eigentlich niemanden interessiert, das Clyde einen gesuchten Kinderschänder in seinem Haus versteckt hatte? Hätte man ihn dafür nicht iiirgendwie belangen sollen? Und wie ist das mit solchen Leuten, die sich Cocain Ken nennen? Subtile Spitznamen gehen anders, wäre das nicht mal ein Ermittlungsansatz gewesen? Capone hat man wegen Waffenbesitz (das waren noch Zeiten) drangekriegt, wie wärs mit dem War on Drugs, anyone? Nein? Nicht? WARUM?
2. Upscale your Enemy
Ich habe mir ja wie angekündigt letztlich erst die Fachliteratur zu Täterprofilen zu Gemüte geführt (was ich übrigens nicht empfehle, wenn man einen empfindlichen Magen hat) und dort war vom Profiler Paradox die Rede* - die Täter, die den "Profilern" am ehesten entkommen, sind die, die aus reiner Impulskontrollstörung und mit wenig intelligenter Planung handeln, weil sie so unfassbar unvorhersehbar sind. Das macht sich aber nicht gut in der Außendarstellung, also unterstellt man (ausdrücklich in einigen Fällen) den amerikanischen Kollegen gerne mal, dass sie ihre Gegner hochstilisieren, um selber besser dazustehen. Keiner will schließlich zugeben, dass man einem Serienkiller nur deswegen nicht auf die Spur kommt, weil der den IQ von Toast hat, nein er ist ein hochintelligenter Mastermind gegen den man nur mit den Besten der Besten mit Auszeichnung** ankommt.
Das scheint auch bei Evil Genius - subtile Titel sind hier auch nicht gefragt;-) - zu passieren, denn nicht nur kann mir keiner beantworten WARUM dieser Plan jemals irgendwem als sinnvoll erschien, nein, es kann mir auch keiner erklären warum es über ein Jahrzehnt gedauert hat, bis Polizei und FBI Bonny und Clyde und ihrer Unsubtil-Bande auf die Spur kommen konnten, außer dass sie eben "Evil Genius" sind. "Highly Intelligent", kein anderer war auf ihrem intelektuellen Niveau, ihre gegenseitige Anziehung bestand darin, dass sie beide soviel klüger waren, als alle um sie herum, hochmanipulativ, immens intelligent, blablaBLA. So wird das die ganze Zeit über heruntergebetet, ohne dass uns wiirklich jemand erzählt was damit zur Hölle gemeint ist, oder worin sich diese vermeintliche Genialität denn so geäußert hat?
Ich gestehe einen hochgradigen Nerd-Moment, weil ich irgendwann dem Fernseher SHOW DON'T TELL entgegengebrüllt habe, aber man hat mich nicht glücklich gemacht.;-)
Ich muss also davon ausgehen, dass hier das Profiler Paradox greift und man dringend den Gegner, den man nicht zu fassen bekommt, hochstilisieren muss. Und ansonsten empfehle ich jedem, der schonmal genervt war von den Cops vs Feds Antipathien in jeder! einzlenen! amerikanischen Crime Serie, da mal reinzuschauen. Die Wahrheit ist noch viel deprimierender als jede Fiktion - bei dieser Unfähigkeit von Law Enforcement irgendwie zusammenzuarbeiten, wundert man sich fast schon, dass überhautp mal jemand für irgendwas eingesperrt wird.^^
3. Die einzige Alternative?
Ich habe in Folge dieser 4-teiligen Serie sehr lange über dem WARUM? gebrütet - soviel dazu, dass nicht-fiktionale Medien weniger geistige Kapazitäten binden^^ - und es erschließt sich mir nicht. Fangen wir doch mal mit dem Bankraub an:
- Es werden im Laufe der Serie mehrere Gründe genannt warum der Bankräuber ausgerechnet 250.000$ verlangen sollte. Bonny wollte diese Summe ihrem Unsubtil-Freund Ken geben, wenn er dafür ihren Vater umbringt, Clyde wollte damit seine Schwester auszahlen, um sein Elternhaus nicht räumen zu müssen. Es interessiert aber in dieser Doku niemanden, dass diesen "hochintelligenten Menschen" nicht aufgefallen ist, dass wenn sie beide 250.000$ brauchen, aber nur 1x 250.000$ verlangen, am Ende einer von beiden in die Röhre kukt?
- In den 9 Seiten (!) detailierter Instruktion und Schnitzeljadgt, die man dem Pizzaliferanten/Bankräuber mitgegeben hatte, wurden ausdrücklich 250.000$ erwähnt. In der Bankfiliale war aber nicht soviel Bargeld und ist auch sonst nie soviel Bargeld, weswegen er grade mal 8000$ und ein paar Zerquetschte ausgehändigt bekam. Außerdem hat man wohl vergessen sich irgendwas auszudenken, das die Angestellten der Bank davon abhalten könnte den Stillen Alarm auszulösen 20Sekunden nachdem PizzaRäuber durch die Tür war. Vielleicht hätte man eine weitere Bombe in der Bank verstecken sollen? Oder es zumindest behaupten? Das hätte ich gemacht, aber ich bin ja nicht highly intelligent...
- Bonny hatte angeblich was gegen diese spezielle Bankfiliale, weil sie sich über Mitarbeiter dort beschwert hat, was mir nicht erklärt wie man so überhaupt keine Ahnung von der Funktionsweise einer Bank haben kann - angefangen dabei ob überhaupt die Summe, die man will da zu holen ist und nicht zuletzt schließend damit wie man sich einbilden kann, dass nicht sofort Polizei und Bombensquad die Straßen dichtmachen, so dass aus der tollen Schnitzeljadgt wohl nichts wird. Er ist nichtmal vom Parkplatz der Bank runtergekommen.
Ich muss zu dem Schluss kommen, dass dieser "Plan" so hirnverbrannt war, wie es schlimmer gar nicht geht, es sei denn - und das wird in dieser Doku nicht mit einem Wort berücksichtigt - es ging gar nicht darum eine Bank auszurauben.
Was wäre, wenn es niemandem wirklich jemals ums Geld ging, sondern Bonny und Clyde sich einfach für unglaublich toll und superklug hielten und sehen wollten, ob sie jemanden umbringen können, ohne dass die Cops oder Feds sie dafür drankriegen? Bonnys Ex-Freund und Ex-Ehemann waren schon auf sehr merkwürde Art umgekommen und sie war mit ein paar Jahren Psychiatrie davongekommen - warum also nicht einen besseren Plan erdenken, der so bizarr ist, dass er alle wild im Kreis laufen lässt für Jahre und Jahre und Jahre?
Hätte am Ende nicht wirklich funktioniert, aber es hat über 10 Jahre gedauert, sie sind um die Mordanklage rumgekommen und Clyde war sowieso totkrank und hat das alles gar nicht mehr erlebt.
Ein besseres WARUM? fällt mir nicht ein.
Da mir die Doku also in keinster Weise weitergeholfen hat und ich mein eigenes Hirn anstrengen musste, um eine hochspekulative Theorie aufzustellen, vergebe ich auch mal nur 1,5 von 5 Kühltruhen - einen Punkt für die Idee und einen halben für die Tatsache, dass man mit meiner "sie sind halt narzistische Psychopathen" Motivation zumindest einen spannenden Thriller draus machen könnte. Wer immer die Idee haben will, nehme sie sich gern.;-)
*Also im übertragenen Sinne, der Begriff ist meine Wortneuschöpfung ;-)
** Zitategummipunkt anyone?
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Vielen Dank!