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10.05.2021

The Forward Collection. Oder: Kurzgeschichten (nicht nur) mit Weltraum

Ja wir machen immer noch Dinge mit Weltraum - ich würde sagen das dürfte uns nicht überraschen, wo sich 2021 irgendwie anlässt wie 2020 Reloaded, oder? ;-)

In letzter Zeit habe ich aber neben ein paar Klassikern, die ich im Literaturstudium irgendwie verpasst hatte - seien wir ehrlich "Genre Fiction" löst bei vielen Akademikern immer noch Naserümpfen aus, was wiederum meinen Arschtritt-Reflex auslöst, also war es besser das Thema zu vermeiden^^ - auch ein bisschen moderne Sci-Fi ausprobiert und das durchaus bisher erfolgreich.

Fangen wir aber mal mit dem "Testpaket" an - der Foward Collection, 6 Kurzgeschichten über Themen der Zukunft, meistens mit Weltraum, manchmal auch nicht.;-)


 

For some, it’s the end of the world. For others, it’s just the beginning. With brilliant imagination, today’s most visionary writers point to where the future is headed—whether plotting a high-tech casino heist, exploring the boundaries of a video game, or debating the very definition of identity. From the darkly comic to the chilling, they share common DNA. They all look forward.

Tatsächlich sind alle Autor:innen in dieser Kollektion schon Bestseller gewesen, von daher kann man natürlich hohe Erwartungen haben, wenn man daran glaubt das Bestseller zu sein etwas aussagt.;-) Es zeigt sich aber eben auch manchmal, dass die Kurzgeschichte eine eigene Kunstform ist, die nicht alle so richtig gut bewältigt haben - das ist natürlich nur meine Meinung, eure kann stark abweichen, wie das immer so ist.

Bewertungen bei Anthologien sind außerdem immer schwierig, aber weil es hier nur 6 Geschichten gibt, will ich zumindest zu jeder was sagen und mein ganz persönliches Ranking vorstellen, einfach nur weil das hier meine Internet Ecke ist und vielleicht interessiert es ja doch irgendwen.;-)

1. Arc

Mir hat die Geschichte von Veronica Roth tatsächlich am besten gefallen, obwohl sie kaum Weltraum und eigentlich auch kaum Handlung enthält. Arc ist eine sehr unaufgeregte Charakterstudie einer Wissenschaftlergruppe am Rande der Welt und am Ende der (Erden)Zeit, die sich mit seltenen Pflanzen beschäftigt und versucht sie für die Nachwelt zu bewahren. Das Worldbuilding ist eine sehr interessante Variante der sehr müden Armageddon-Welt-trifft-auf-Meteoriten Geschichte und wirft einige sehr nette Fragen über das Leben, das Universum und den ganzen Rest auf. Also genau was ich an Sci-Fi mag, nicht viel Action, aber viel Philosophie. Außerdem ist das Cover mit Abstand am Schönsten, aber auch das ist natürlich nur meine Meinung.;-)

2. Emergency Skin

Ich fand es bisher sehr schade, dass ich in die Broken Earth Bücher nicht wirklich reingekommen bin, weil mich die Erzählstimmen nicht wirklich packen. 2nd Person Erzähler sind auch so eine persönliche Abneigung, vermutlich dasselbe Problem, dass ich mit Filterworten habe - alle behaupten sie erzeugen Distanz, aber wenn ich nicht weiß welcher Charakter grade spricht/denkt/riecht etc., verwirrt mich das nur und das "du musst dich so fühlen als wärest du selbst in diesem Kopf" funktioniert absolut bei mir nicht...Ziemlich wahrscheinlich ein sehr eigenes Problem, das nur ich habe, aber ich kann glücklicherweise sagen, dass Kurzgeschichten auch hier die Rettung sind, denn was mich über längere Erzählabschnitte vielleicht nerven würde, funktioniert in dosierter Form oft trotzdem und Emergency Skin ist trotz - oder wegen, wenn man es mag;-) - der 2. Person Erzählung großartig. Das Worldbuilding ist spannend, die Prämisse hat eine wunderbare Ironie und am Ende gibt es sogar einen Hauch von Revolution, wenn man das mag.

3. The Last Conversation

Diese Geschichte ist seeehr langsam erzählt. Ich weiß, ich habe grade gesagt, dass mich das normalerweise nicht stört und tut es auch offensichtlich nicht, aber man sollte sich darauf einstellen. Das Worldbuilding bleibt auch sehr vage, was aber in diesem Fall nicht so schlimm ist, weil soviele genaue Details zu einem Zivilisationszerstörenden Virus brauchte ich in 2021 auch nicht.;-) Man muss sich also seeeehr lange gedulden, bis man erfährt worum es eigentlich geht, was der Titel soll und was die eigentliche Frage ist. Oh, und man sollte echt deprimierende Enden mögen...kein Spoiler, mehr eine Warnung für Leute, die das grade nicht brauchen können.

4. You have arrived at your destination

Diese Geschichte habe ich nicht verstanden. Sie ist deshalb auch nur deswegen auf Platz 4 von 6, weil ich die Ausgangsidee - es geht in Richtung DNA Engineering und Designer Babys - richtig, richtig spannend fand. Leider dreht die Geschichte aber nach der 50% Marke in eine Richtung, von der ich irgendwie nicht das Gefühl hatte, dass sie irgendwas it irgendwas zu tun hatte. In einer langen Telefonunterhaltung zu meiner Konfusion über diesen Aufbau und dieses Pacing (manchmal kann ich den Literaturwissenschaftler in mir nicht schnell genug ruhig stellen, bevor er meine Freunde nervt;-) sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es eventuell Absicht ist und uns sagen soll, dass das "richtige Leben" halt nicht immer narrativen Strukturen von Set-Up und Pay-Off folgt...aber mir war das zu meta, sorry, ich hätte trotzdem gerne gehabt, dass mir irgendwas erzählt wird zu den Problemen, die der Anfang aufwirft. Außerdem ist der PoV Charakter - und alle anderen for that matter - merkwürdig fasziniert von Sperma...ich sags halt nur...

5. Randomize

Diese Geschichte ist eigentlich ein geteilter Platz 5 mit der nächsten, weil ich beide nicht mochte, aber aus anderen Gründen und Andy Weir kriegt nur deswegen den Vorzug auf Platz 5, weil ich The Martian großartig fand. Aber sorry Kurzgeschichten sind nicht sein Fach, diese Story wirkte hingeschludert und unlogisch - der "Twist" am Ende war so schlechter-Casino-Gangster-Film, dass ich laut gelacht habe, dass dieser dämlichste aller Pläne funktioniert. Und es ist ein Tell-Problem. Wenn du die Hälfte der Geschichte damit verbringst mir zu erzählen, dass deine Heldin ein Genie ist, aber sie ständig Fehler macht, die sogar ich durchschaue, dann erzeugt das leider einen disconnect...Lieber bei Romanen bleiben vermutlich.

6. Summer Frost

So und jetzt ist der arme Blake Crouch Letzer, weil er leider Thriller schreibt und ich keine Thriller mag, auch keine mit Sci-Fi Twist. Das sehen vermutlich etliche Menschen anders, wenn man Thriller mag und Twists und schockierende Enden, die irgendwie in Gewalt ausarten, dann wird man diese Geschichte sicher mögen. Ich fand die Prämisse "Game NPC, der aus Versehen Bewusstsein entwickelt" und "was macht das mit einer tatsächlichen AI, wenn sie NPC sein muss in einem ziemlich lahmen & sexistischen Grusel-Horror Spiel" total spannend, aber der Thriller Plot hat's für mich versaut. Weniger Action, mehr Philosophie wäre der Weg zu meinem Herzen gewesen, aber dazu kriegen wir nur einen sehr langen Info-Dump zu irgendeiner tollen Theorie aus dem 17.(?) Jahrhundert, die am Ende nicht wiiirklich irgendwas mit irgendwas zu tun hat. Danke, aber ich hab auch schon sehr viele total spannende Wikipedia-Einträge gelesen, das ist kein Grund sie alle in irgendwelche Geschichten zu quetschen. Also vielleicht auch nur zum Teil ein Ich-Problem, ich werdet es selber rausfinden müssen, wenn euch das Thema liegt.;-)

Insgesamt sind die Ideen und Prämissen aller Geschichten aber spannend, manche sind halt nur (meiner Meinung nach) nicht sonderlich gut umgesetzt. Aber das ist so ein Ding, das man in Rezensionen immer sagt, wenn irgendwas nicht so erzählt wird, wie wir das wollen, von daher vielleicht auch nicht besonders hilfreich...;-)

Schaut auf jeden Fall mal rein, wenn moderne Sci-Fi euer Ding ist!

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