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16.08.2021

Death on the Nile. Oder auch: Statistik und Storytelling

Irgendwo las ich letztlich, dass es irgendwer "statistisch unwahrscheinlich" fand, dass Protagonisten ihre Abenteuer immer überleben und das daher langweilig sei...

Ich meine, es darf ja jede:r mögen oder nicht mögen was man will, aber ich fand die Aussage ziemlich witzig, weil wir gerade erst Death on the Nile nochmal gesehen hatten - die Neuauflage mit Gal Gadot ist ja wieder einmal verschoben worden und sieht in den Trailern wie immer sehr hochglanz produziert aus, aber von Murder on the Orient Express war ich trotz aller Starpower ziemlich unterwältigt, daher fand ich das gar nicht so schlimm "nur" dan alten Film sehen zu können.

Maggie Smith ist großartig in allem was sie tut und Angela Lansbury hatte soviel Spaß an ihrer Rolle, dass es fast gruselig ist.;-)

Aber um auf die statistische Wahrscheinlichkeit zurückzukommen, erinnerte mich das an eine Unterhaltung, die wir an anderer Stelle über Plot-Twists hatten und ob das Thriller Genre ein wenig das neue Melodram ist.

Das meine ich jetzt nicht abwertend, wie Melodrama ja schonmal verstanden werden kann, sondern ganz neutral - die Hauptmerkmale des (vor allem im 19.Jhd beliebten) Melodrams waren gesteigerte Emotionen und überraschende Wendungen, wie der verschollene Zwilling, oder die seit Jahren geplante Rache, Mord und Intrigen aus Eifersucht usw. und mit statistischer Wahrscheinlichkeit hat das natürlich alles überhaupt nichts zu tun.

Ich bin persönlich der Überzeugung, dass Statistik in Storytelling sowieso nicht viel zu suchen hat, denn auch wenn wir immer darauf rumreiten, dass irgendeine Wendung oder irgendein Charakter nicht "realistisch" genug ist, niemand will eine komplett realistische Geschichte. Ist jetzt so mein persönlicher Hot Take, aber eigentlich ist der nichtmal laufwarm...;-)

Das Leben passt nicht so gut in drei Akte und wenn in Mittelalterfantasy plötzlich alle 2 Minuten jemand an verdrecktem Trinkwaser oder faulenden Zähnen stirbt, dann empfinden wir das nicht als realistisches Storytelling, sondern als ziemlich unbegfriedigendes Ende, oder?

Von daher finde ich es bei all meinem Gemotze über Thriller und Plot-Twists auch überhaupt nicht schlimm, dass Death on the Nile davon ausgeht, dass 8 bis 10 Menschen, die sich alle irgendwie kennen und alle ein Motiv haben eine gewisse Person umbringen zu wollen, zufällig beschließen auf demselben Boot Urlaub zu machen, wie ein berühmter Meisterdedektiv.;-)

Wozu hat man den Ausdruck suspension of disbelief sonst erfunden? Ich gebe zu, es kann ein schmaler Grat sein und ab einem gewissen Punkt ist "die Hauptfigur überlebt immer alles" vielleicht auch wirklich langweilig. Aber bis dahin glaube ich können wir die Statistik einfach mal ignorieren.

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