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08.11.2021

Netflix zum Aufregen: Athlete A & Turningpoint 9/11

Es ist eine merkwürdige psychologische Wahrheit, aber manchmal, wenn mich alles nervt, brauche ich keine Unterhaltung, die mich zum Lachen bringt, sondern irgendwas, über das ich mich noch mehr aufregen kann. Eine Katharsis vielleicht, oder eine willkommene Umlenkung meiner kleinen peeves auf ein großes Thema, über das es sich richtiger anfühlt sich aufzuregen?

Vielleicht ein bisschen was von Spalte A und ein bisschen was von Spalte B... ;-)

Anyway, sollte ich mit diesem merkwürdigen Quirk jedenfalls nicht allein sein - und ich gehe einfach mal nie davon aus, dass ich einzigartig bin - habe ich zwei Netflix Funde für euch, die so richtig zum Aufregen einladen.

Fangen wir mal mit dem kürzeren, aber unschöneren Thema an. Athlete A ist eine knapp 2 stündige Doku, die den Missbrauchsskandal im amerikanischen Turnerinnen-Team aufarbeitet und Namen nennt. Contentwarnungen offensichtlich für alle Arten von Kindesmissbrauch, aber wenn man hier nicht versucht ist den Fernseher anzuschreien, oder irgendwas zu zerdeppern, dann weiß ich auch nicht.

Abseits der offensichtlichen Wutauslöser fand ich allerdings in dieser Doku vor allem das Thema "was wir bereit sind für den Sieg zu tun" besonders gut aufgearbeitet. Während ich die Doku sah, lief grade noch Olympia im Fernsehen und das war auf der einen Seite sehr passend und auf der anderen Seite nochmal zusätzlich deprimierend.

Falls man sich also gefragt haben sollte, warum es irgendwie ein großes Ding ist, wenn minderjährige Turnerinnen nicht mehr in knappsten Badeanzügen ihren Sport ausüben wollen, dann sollte man diese Doku einfach mal mitnehmen. Man lernt eine Menge dabei.

Und dann gehen wir gleich zum nächsten doom & gloom Thema der momentanen Medienlandschaft über und schauen uns Turningpoint 9/11 an, eine mehrteilige Dokuserie, die uns in vielen unschönen Details den "Krieg gegen den Terror" in Afghanistan aufzeichnet. 

Für eine Netflix Produktion sehr USA kritisch, aber vermutlich nicht annährend so kritisch, wie es sein könnte, da man mit 9/11 anfängt - Contentwarnung: wer die drastischen Newsbilder aus der Zeit noch nicht kennt, sollte auch hier vorsichtig sein - und mit President Biden's Rede zum Ende des Afghanistaneinsatzes aufhört. Was seitdem passiert ist und immer noch passiert, konnte man sich also zeitgleich in den Nachrichten anschauen, was auch auf der einen Seite passend, auf der anderen nochmal zusätzlich deprimierend war.

Insgesamt ist die Doku aber gut gemacht, es kommen viele verschiedene Menschen aus vielen verschiedenen Bereichen zu Wort - auch (und das scheint ein Kritikpunkt zu sein, soweit ich gehört habe) erzkonservative Taliban. Ich verstehe, dass man diesen Menschen nicht zuhören will, aber den Vorurf jede Einbindung der O-Töne der Gegenseite sei gleich eine "Plattform für Propaganda" finde ich aus historischer Sicht fragwürdig. Ich muss jemandem nicht zustimmen, aber eine Seite in einem Konflikt deswegen zu ignorieren, kann nicht zu einem besseren Verständnis des Konfliktes führen, no?

Ich kann also absolut verstehen, wenn man diese Dokus auslassen will, aber das nimmt ihnen ja nicht die Daseinsberechtigung.

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