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10.12.2021

Die Frau des Nobelpreisträgers. Oder auch: Wie wir kreative Arbeit darstellen

Wir haben ja in diesem Jahr unsere 100. Podcastfolge gefeiert - oder naja zumindest haben wir über seltsame Klischees gemotzt, die es über schreibende Menschen in Film und Fernsehen so gibt ;-) - und in dieser Folge habe ich schon einen sehr langen Sermon zu diesem Film erzählt.

Da es natürlich aber immer mal sein kann, dass jemand unseren Podcast nicht hört (unerhört! *haha*), wollte ich dazu nochmal eine kurze Zusammenfassung meiner überschaubaren Punkte nachliefern, denn es beschäftigt mich seitdem.

For context, es geht um The Wife - ein simplerer, aber auch irgendwie nichtssagenderer Titel, als der deutsche, aber naja - ein Film mit Glen Close über ein altes Ehepaar, ihre Kinder und *bambambaaam* die Lüge in ihrem Leben. Es wird keine Spoilerrücksicht genommen, ich sag's nur schonmal ab hier. ;-)


Dieser Film ist eigentlich gar nicht "mein Genre" und ich bin auch nur so zufällig reingestolpert, weil er im Fernsehen lief. Normalerweise bin ich nicht so der Typ für tiefsinnige Familiendramen, meine TV Unterhaltung hat gewöhnlich mehr Explosionen anderer Art, aber hier ging es um Schreiben, die Buchindustrie, Sexismus und den Literaturnobelpreis, also konnte ich nicht mehr wegschalten.;-)

Falls man eine kurze Zusammenfassung braucht, der Plot des Films ist: Ein Mann gewinnt den Literaturnobelpreis und fährt mit seiner Frau nach Stockholm. Ein Journalist, der seine Biographie schreiben will, ist auch dahin unterwegs und weiß schon, dass seine Frau eigentlich die Bücher schreibt. Kommt das raus, oder nicht?

Mehr "passiert" äußerlich tatsächlich nicht, wir befinden uns also 2,5 Stunden lang in einer Beziehungssezierung dieser beiden Menschen, ihrer "gemeinsamen" Karriere und ihrer Familie. Und da liegt dann auch ein wenig mein Problem.

Der Film nimmt sich sehr viel Zeit mir plausibel zu machen wie unschön es ist, dass der Ehemann sich schon so lange im Licht der Bewunderung der Welt und sogar seiner Familie (nichtmal die Kinder kennen die Wahrheit) sonnt, dass er inzwischen wirklich glaubt ein Genie zu sein. Und dass die Ehefrau ihn zwar noch liebt, aber trotzdem sehr verbittert darüber ist. Soweit so gut.

Es wird mir auch einigermaßen plausibel erklärt, dass sie im USA der 60er keine Chance sah als Frau "den großen amerikanischen Roman" schreiben zu dürfen und befürchtete ausgelacht, oder in eine "Frauenliteraturecke" gedrängt zu werden. Dieser Sexismus ist in den Jahrzehnten seitdem ein wenig besser geworden, aber in der Verlagsindustrie mitnichten verschwunden. 

Was mir allerdings wieder mal gefehlt hat, war eine realistische Darstellung davon wie es ist so ein Buch tatsächlich zu schreiben, zu überarbeiten und mit anderen zu kooperieren. Es wird behauptet, dass ihre eheliche Partnerschaft deswegen so gut funktioniert, weil er gute Ideen hat, sie aber besser schreiben kann. Soweit so gut, klingt plausibel, kann ich mir gut vorstellen.

Aber: Die einzigen Male, die wir diese "Zusammenarbeit" wirklich auch sehen/gezeigt bekommen, ist die Szene, in der sie sein Manuskript kritisiert und er wie ein schmollendes Kleinkind reagiert und eine kurze Instanz, in der sie seine Anmerkung zu ihrem Text auch nur abblockt und er dann geht und sich stattdessen um die Kinder kümmert.

Dieses "Kreative reagieren total beleidigt, wenn man ihnen konstruktives Feedback gibt" Trope ärgert mich dabei am meisten. Ich meine, diese Film-Schriftsteller (meistens sind es Typen, seien wir ehrlich) werden doch von Autor:innen und Drehbuchschreiber:innen geschrieben, oder? Also Menschen, die es gewohnt sein müssen konstruktiv mit Lektoraten, Regieanweisungen etc etc umzugehen?

Warum bekommen wir dann immer noch nur die "das Buch ist mein Baby und deine Kritik ist doof und deine Nase auch!" Kindergartenschiene zu sehen? Der Film nimmt sich so! viel! Zeit! jede Facette dieser Beziehung zu zeigen, außer wie diese angeblich so essentielle Zusammenarbeit dann wirklich aussah. Mal ganz davon abgesehen, dass wir nie jemanden irgendwas Überarbeiten oder Umschreiben sehen, es ist immer, The End, Puff, Fertig, Bestseller...

Ich meine, jeder darf seine Power Fantasy haben, aber ein bisschen Realismus wäre manchmal ganz nett...;-)

Interessanterweise ist die einzige Ausnahme, die das besser macht (die mir einfällt) die Überarbeitungs-Szene in Little Women. Auch dieser Film kann sich nicht verkneifen zumindest zu Anfang in das "Künstler sind nicht Kritikfähig" Trope zu verfallen, aber sie nutzen es als Moment der Charakterentwicklung und damit wird es wieder glaubhaft. Als Reaktion einer sehr jungen Person auf das erste Feedback ever, ist ein wenig verletzter Stolz ja normal und absolut ok - mein Problem ist, dass in The Wife ein älterer Literaturprofessor (und dann to a lesser extend die Frau mit den 3-4 Bestsellern unter dem Gürtel) in keister Weise reifer oder "professioneller" dargestellt werden.

Jo's erste Reaktion -  ein beleidigtes "Du verstehst das halt nicht" - ist also absolut nachvollziehbar, aber sie kommt darüber hinweg, denkt über das Feedback nach und wie es ihre Geschichte besser machen könnte. Und dann sehen wir irgendwann das hin und herwerfen von Ideen mit ihrem Freund und wie es beiden Spaß macht ihr Buch zu verbessern und DAS ist der Aspekt, der mir in diesem Film hier komplett fehlt.

Ich hätte einfach gern, dass die Beschäftigung des Schreibens weniger egomanisch und einsam dargestellt wird - beides trifft vielleicht manchmal zu, aber genauso wie manchmal eben Autos auch tatsächlich explodieren, was nicht bedeutet, dass Hollywood diese Eigenschaft maßlos übertreibt. ;-)

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