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12.08.2022

Listening to: The Romanovs. Oder auch: Die Historiker & ihre Kristallkugeln

Ich weiß nicht, ob es unbedingt eine universelle Erfahrung ist, aber in meinem Geschichtsstudium kam irgendwann der Punkt, an dem ein Dozent uns die "und was macht man mit so einem Abschluss dann im 'echten Leben'" Ansprache geben wollte. Vielleicht passiert das auch nur den Nicht-Lehramtsstudenten, aber die Frage ist ja vielleicht berechtigt? Das Problem ist nur, dass die Einsichten nicht besonders hilfreich waren, denn was die Welt (zumindest seiner Meinung nach) vor allem von Historiker:innen will, ist der Blick in die Kristallkugel. Wer seine Vergangenheit vergisst, lernt nichts für die Zukunft und all das - nur, wenn man daran gewöhnt ist Dinge rückblickend zu interpretieren, ist das mit dem Zukunft Voraussagen evtl. nicht ganz so einfach?

Ich weiß daher nicht wie nützlich der Ansatz tatsächlich ist, aber wenn man sich so manches Sachbuch ansieht, ist der Selling-Point durchaus erkennbar. Zum Beipsiel in diesem Klappentext zu The Romanovs: 1613-1918 geschrieben von Simon Sebag Montefiore, gesprochen von Simon Russell Beale:


The Romanovs were the most successful dynasty of modern times, ruling a sixth of the world's surface. How did one family turn a war-ruined principality into the world's greatest empire? And how did they lose it all?

This is the intimate story of 20 tsars and tsarinas, some touched by genius, some by madness, but all inspired by holy autocracy and imperial ambition. Montefiore's gripping chronicle reveals their secret world of unlimited power and ruthless empire building, overshadowed by palace conspiracy, family rivalries, sexual decadence and wild extravagance and peopled by a cast of adventurers, courtesans, revolutionaries and poets, from Ivan the Terrible to Tolstoy, from Queen Victoria to Lenin.

To rule Russia was both imperial-sacred mission and poisoned chalice. Six tsars were murdered, and all the Romanovs lived under constant threat to their lives. Peter the Great tortured his own son to death while making Russia an empire and dominated his court with a dining club notable for compulsory drunkenness, naked dwarfs and fancy dress. Catherine the Great overthrew her own husband - who was murdered soon afterwards - loved her young male favourites, conquered Ukraine and fascinated Europe. Paul was strangled by courtiers backed by his own son, Alexander I, who faced Napoleon's invasion and the burning of Moscow, then went on to take Paris. Alexander II liberated the serfs, survived five assassination attempts, and wrote perhaps the most explicit love letters ever written by a ruler.

The Romanovs: 1613-1918 climaxes with a fresh, unforgettable portrayal of Nicholas and Alexandra, the rise and murder of Rasputin, war and revolution - and the harrowing massacre of the entire family. Written with dazzling literary flair, drawing on new archival research, The Romanovs: 1613-1918 is at once an enthralling story of triumph and tragedy, love and death, a universal study of power and an essential portrait of the empire that still defines Russia today.

Ich bin also nicht unbedingt sicher, ob es immer hilft sehr viele Geschichtsbücher gelesen zu haben, um die Zukunft von so nebulösen und komplexen Dingen wie Staaten und Politik vorrauszusagen, aber dieses Buch war schon sehr lange in meiner Audible-Bibliothek und irgendwann muss man den Stapel ja mal abarbeiten, auch wenn es vielleicht nicht zu einer brillianen Karriere als Kristallkugel-Leserin führt.

Der letzte Absatz des Klappentextes, ist aber auch ansonsten schon eher so ein Mundvoll, zumindest was die Versprechungen und Adjektive angeht, oder? Vielleicht ist es wirklich besser, wenn Autoren sowas nicht selber schreiben, denn "dazzling flair" klingt wenigstens ein bisschen weniger unfreiwillig komisch für ein historisches Sachbuch, wenn es kein Eigenlob ist? Sorry, das klang jetzt ein wenig gemein, aber ich habe momentan (oder generell) einfach wenig Geduld für Marketing Blah.;-)

Auch wenn ich also nicht unbedingt unterschreiben kann, dass sich dieser dicke Sachbuch-Schinken liest, wie ein Thriller, oder ein Melodram, kann ich zumindest bestätigen, dass die Geschichte und Geschichten verständlich aufgearbeitet und präsentiert werden, aber das zu sagen verkauft vermutlich nicht halb so viele Exemplare.;-) Trotzdem ist eine Zeitspanne von 300 Jahren natürlich nicht unbedingt geeignet für eine zu detailreiche Darstellung, selbst für ein dickes Buch.

Das wäre dann auch mein einziger Kritikpunkt - unabhängig davon, ob man hier tatsächlich ein paar Einsichten und moderne russische Politik und Zeitgeistgeschichte findet - denn soviel wir tatsächlich über die Dynastie lernen, wir sehen nicht wirklich (genug) vom kulturellen Kontext, um manche Zusammenhänge besser zu verstehen.

Aber das ist vielleicht für ein Übersichtswerk auch Motzen auf hohem Niveau, von daher ziehe ich mal nur einen halben Punkt ab für ein Buch, dass russische Geschichte der frühen Neuzeit zumindest anschaulicher machen sollte, als die Expertise von Wikipedia oder Twitter. 4,5 von 5 Wappenschilde muss das schon wert sein, no?;-)

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