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10.11.2023

Death on the Nile. Oder auch: Wenn jeder den Mörder kennt

Ich gebe zu, ich wollte Death on the Nile vor allem wegen dem Landscape-Porn sehen und insofern wurde ich auch nicht enttäuscht - nur vom Rest des Films, aber das dauert länger und hat was damit zu tun, dass ich gerade eine Biographie von Agatha Christie lese, die ein paar witzige Einsichten zu denselben Themen zu liefern hat. Wer also heute eher keine Zeit oder Lust sich sich mein Geramble anzuhören, dem sei der Film für seine Bildgewalt empfohlen, aber für alles andere, kukt lieber den alten nochmal. ;-)

Eines der letzten Kapitel der Christie Biographie, die ich grade auf meinem Quatschkopf habe - dazu dann irgendwann demnächst mehr - beschäftigt sich mit ihrer Zweitkarriere als Bühnenautorin. The Mouse Trap dürfte ja bekannt sein (ist es immer noch das am längsten gespielte Stück der Welt, oder hat COVID uns das auch kaputt gemacht?), aber es gibt noch ein paar andere. Fun fact, mein erstes Theaterstück war auch ein Agatha Christie, ich spielte das Hausmädchen ohne Nachnamen und durfte mich ca. 200x höchst dramatisch erschrecken, wenn wieder irgendwo eine Leiche auftauchte ... aber darum geht es jetzt mal nicht. ;-)

Stattdessen geht es in besagtem Kapitel darum, dass sich die Autorin quasi genötigt sah ins Theatergeschäft einzusteigen, weil es sie offenbar unendlich geärgert hat, wie andere Adaptionen mit ihren Charakteren und Plot umsprangen. Weswegen sie auch an Proben teilnahm, um sicherzustellen, dass sich die Schauspieler nicht irgendwelche neuen Dialoge ausdenken ... man kann das durchaus ein wenig pahtologisch fixiert finden und ich habe das Gefühl sie war bei Cast und Regie vermutlich nicht sehr beliebt, aber andererseits hat die grantige, alte Lady in mir schon ein wenig Respekt vor einer Frau in den 50er-60er Jahren, der es absolut am Ar*** vorbei ging, ob sie jemand symphatisch fand.;-)

Vermutlich würde sich die gute Agatha also im Grab umdrehen, wenn sie wüsste was mit Poirot und ihren Vorlagen in den 2020er Jahren passiert und auch wenn ich absolut nicht der Meinung bin, dass eine Verfilmung zwangläufig besser wird, je näher sie der Vorlage bleibt, habe ich mich spätestens hier gefragt, warum Kenneth Brannagh so eine Faszination für Poirot hegt, dass er gleich 3 Filme mit ihm und als er drehen will, ohne dass ihn die Essenz der Figur irgendwie zu interessieren scheint...?

Ich gebe zu, er hat es natürlich nicht einfach, denn ein Murder Mystery, bei dem jeder den Mörder kennt (oder die letzten 40 Jahre unter einem Stein gelebt hat, solls ja geben;-), ist natürlich irgendwie sinnlos. Bei Murder on the Orient Express hat man noch versucht dieser Tatsache mit reiner Stargewalt und einigen Filmhandwerklich interessanten Einstellungen Herr zu werden. Aber auch da habe ich mich schon gefragt, warum Poirot plötzlich ein OCD-lastiger Actionheld sein muss, der immer dann die uneinheitliche Größe seiner Frühstückseiner untragbar findet, wenn es dem comic relief dient und ansonsten wilde Verfolungsjagdten über verschneite Brückengerüste hinlegt...

Poirot als Gegenentwurf zu solchen actionlastigen Hard-Boiled Detectives war irgendwann mal Sinn und Zweck der Figur. Poirot kriecht nicht auf dem Boden, um Zigarrenasche einzusammeln, wie Sherlock und er wedelt auch nicht mit Waffen in der Gegend herum, wie Philip Marlowe. Das einzige, was er mit den beiden eventuell gemeinsam hat, ist dass er mit Romantik nichts anfangen kann.^^

In diesem Death on the Nile lösen wir das "jeder kennt den Plot" Problem ein bisschen mit Star-Power - wobei der Hauptdarsteller leider in die Shatner School of Overacting gegangen ist und wir Gal Gadot auch ein wenig verschenken an unfassbar fremdschämige Szenen im Cleopatra-Kostüm - aber vor allem indem wir einen komplett neuen B-Plot um Poirots Sidekick einführen und Poirots Kriegstrauma-Liebesgeschichte erzählen, die unabsichtlich zur tragischen Backstory seines Schnurrbarts wird. Die ersten 10 Minuten habe ich wirklich gedacht, ich hätte aus Versehen Dunkirk oder so eingeschaltet.

Und dass wir soviel Zeit mit Dingen verschwenden, die weder besonders innovativ oder interessant erzählt, noch irgendwie notwendig waren, lässt uns dann leider keine Gelegenheit mehr das Ensemble auf dem Boot irgendwie befriedigend auszuerzählen.

Die Christie Biographie erwähnt, dass sie (zusätzlich zu allem anderen;-) bei Theaterbesitzern nicht sonderlich beliebt war, weil sie sich weigerte passende Star-Rollen zu schreiben. Ihre Skripte sind Ensemble-Stücke und damit ungeeinet nur einen großen Star (selbst Poirot oder Mrs. Marple) in Szene zu setzen. Das fällt hier aber völlig flach, denn OCD-Actionheld-Poirot muss mit seinen Superreflexen Schlangen bezwingen, über seine verflossene Liebe schniefen und am Ende die versammelten Verdächtigen mit einer Pistole in Schach halten...

Wie gesagt, ich gehöre absolut nicht zu den Menschen, die etwas ablehnen, nur weil es im Buch anders war - aber hier muss ich mich schon fragen, wenn dich als Schauspieler nichts an der Figur interessiert, warum willst du sie dann spielen? 

Vermutlich ist die Antwort mal wieder Geld, weil wenn Agatha Christie draufsteht, dann verkauft es sich besser, aber ich bin da mal ganz bei der Autorin und kann mir für schöne Bilder und Kostüme und ein rudiment von Plot nur so 2,5 von 5 Jazzgitarren abringen. Der Soundtrack war allerdings großartig, das muss man zugeben.;-)

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