Es gibt ein neues Dragon Age Spiel und ich bin super late to the party, aber wie immer auch mit Absicht. Zum einen habe ich gerne einfach Zeit 2-3 Durchläufe von einem Spiel zu machen, das auf replay-value ausgelegt ist, um mir eine nuancierte Meinung zu bilden und zum anderen leben wir in einer Welt, in der ich gerne dem hot takes Wahnsinn erstmal dabei zuschaue, wie er an mir vorbeirauscht. Es verteidigt meinen Frieden, vor allem in den letzten Jahren, in denen die hot takes überproportional in dudebro tears zu bestehen scheinen, weil man ihnen keine Busenwunder in Battlebikinis mehr gönnt und dafür *legasp* non-binary Companions zumutet.
Lasst uns also mal kurz auf das Banner in der oberen Ecke des Blogs verweisen und festhalten, dass ich nicht bereit bin, über das Existenzrecht von schwarzen Elfen, dicken Frauen, Trans- & Non-Binary Menschen in Videospielen (und außerhalb, wobei die Elfen vielleicht fragwürdig sind...) zu disskutieren. Falls ihr zu den Leuten gehört, die die schiere Existenz anderer (fiktiver) Menschen bedrohlich oder empörenswert finden - oder zu der fast noch schlimmeren Sorte von "ja, dann tut das halt irgendwo hin wo ich es nicht sehen muss"-Clowns - dann will ich mit euch nicht über dieses Spiel reden ... und auch eigentlich ansonsten nicht, also kauft euch einfach eine Parkuhr, die könnt ihr dafür bezahlen, dass sie euer Gesabbel anhört. Klar soweit? Klar soweit!
Bevor ich jetzt aber mal versuche meine Romanlangen Gedanken zu einem Spiel, auf das ich aktiv seit 10 Jahren gewartet habe, in irgendeine kohärente Form zu bringen, lasst uns mal einen Trailer schauen für diejenigen, die keine Ahnung haben worum es geht in Dragon Age: Veilguard (ich weigere mich das the anzuerkennen;-), ok?;-)
Ich möchte festhalten, dass ich schon ein bisschen Verständnis hatte, dass die Reaktionen (unabhängig von den dudebro tears s.o.) auf den ersten Trailer ein wenig schwierig waren. Ich möchte das aber darauf zurückführen, dass das Marketing dieses Games an sich katastrophal war - nur meiner Meinung nach, aber das ist ja mein Internetwohnzimmer hier. 10 Jahre Spekulationen und Hoffnungen eines sehr aktiven und engagierten Fandoms erzeugen eine Erwartungshaltung, die jede Fortsetzung eigentlich fast schon scheitern lassen muss, weil man es ohnehin niemals allen Recht machen kann. Aber eine völlige Funkstille von mehreren JAHREN vor dem Release, die immer nur durch Nachrichten von massiven Entlassungen von Personal (mit anhängigen Klagen wegen mieser Behandlung) und "Neustarts" der Entwicklung mit geänderten Vorzeichen gespickt ist, lässt den Eindruck enstehen, als könnten wir froh sein überhaupt irgendwann irgendein Spiel zu kriegen. Und darauf kommen wir nacher noch zurück, aber es sieht einfach super schlecht aus und selbst ich als #deathbeforemarketing Mensch kann das begreifen.^^
Das hier ist aber kein Marketing 101, also lasst uns mal über das sprechen was DA Spiele immer ausgemacht hat: Story und Charaktere. Ich habe dazu mal meine Bingo-Karte von 2020 - immerhin auch schon wieder fast 5 Jahre her... - rausgekramt und hatte immerhin fast 50% richtig vorhergesagt, auch wenn man ziemlich "drin" sein muss, um zu verstehen was ich mit den einzelnen Punkten meinte, aber ist auch mehr so als weird flex gedacht. ;-)Ich habe das Spiel inzwischen fast 3x durch und war zumindest visuell beim 1. Durchlauf ziemlich weggepustet. DAI sah schon gut aus, aber hatte an entscheidenden Stellen der Hauptstory einfach nicht den WUMS Faktor, den eine große, weltumspannende Bedrohung braucht. Die Karten waren zu groß und zu leer, die guten Storyplotpunkte dadurch zu verdünnt durch stundenlange Fetchquests und der main villain war ein ziemliches Würstchen, das nach dem Akt 1 Finale keinerlei Fuß mehr auf den Boden bekommt. All das mach DAV wirklich wirklich besser! Aber schwankt leider ins gegenteilige Extrem.
Wir starten mit einem Action-Prolog, der schon mit quasi Weltuntergang loslegt und während ich das nicht verkehrt finde, bleibt die Backstory unseres Helden, seine Faction-Bindungen, seine Beziehung zu Varric und vor allem das "was bisher geschah" komplett auf der Strecke. Intime sind auch 10 Jahre vergangen und alles ist damit ein wenig Wasser unter der Brücke, was aber leider viele Plotfäden aus dem Vorgänger ins Leere laufen lässt und das ist schade. Eine Prolog-Mission wie eine Faction-Origin-Quest hätte vieles gezeigt, was hier nur im nachhinein als Info-Dump erzählt werden muss und das ist wie wir alle wissen immer die schlechtere Wahl fürs Storytelling.
Auch ansonsten hatte ich das Gefühl 10 oder sogar 15 weitere Stunden Spielzeit - DAV lässt sich in ca. 60-70 Std. spielen, das ist nicht kurz, aber für ein Spiel dass völlig ohne DLC bleiben wird auch mal eben 40Std kürzer als sein Vorgänger+DLCs und diese Stunden haben wir nicht alle nur in leeren Maps verbracht ;-) - hätten dem Spiel gutgetan. Man bekommt den Eindruck, als wäre alles runtergehobelt worden, das nicht dringend notwendig war, um die Geschichte aus DAI zu einem Ende zu prügeln und wenn man die 10 Jahre development hell mitverfolgt hat, ist das vermutlich auch einfach so.
Und es ist kein schlechtes Ende, das möchte ich ganz klar sagen! Ich liebe es allein, dass Varric wieder erzählt, das Artwork dazu ist glorious und jede Reminiszenz an DA2 wärmt mein Herz. Ja, dass er hier erzählt macht null Sinn im Rahmen der Geschichte und das Foreshadowing ist mit dem Holzhammer geschrieben, aber trotzdem!;-) Allein der dritte Akt versöhnt mich damit, dass DAI keinen vernünftigen Showdown hatte, weil die Schlacht um Minrathous einfach alles ist, was ich wollte. Aber es fallen eben doch viele wichtige Plotfäden einfach unter den Tisch, weil offenkundig keine Zeit war sie vernünftig zu erzählen, den Antagonisten fehlt jegliche Nuance, wir prügeln uns mehr oder minder durch Fantasy-Nazis (ok, immerhin keine schlechten nuancenlosen Bösewichte;-), Companions erzählen sehr oft wie genau es ihnen gerade geht und was sie genau gerade empfinden, bis man sich so ein wenig wie der inhouse therapist der Truppe fühlt, weil auch hier offenkundig Zeit und Energie gespart werden musste diese Konflikte zu zeigen, statt zu infodumpen.
Kurz, DAI war zuviel fluff und zu wenig action und DAV macht es genau umgekehrt. Null fluff, alles muss auf die Hauptstory hingezirkelt sein, nichtmal unsere Companion-Arcs dürfen irgendwas anderes sein als Ableger des Konflikts gegen die großen Bösen. Und das ist schade! Ja, es war vielleicht keine Zeit und dann ist es nachvollziehbar, dass man in einer Triage alles rauskürzt, was nicht die Hauptstory vorantreibt - inklusive der Worldstates aus den Vorgängerspielen und Konfliktpotentialen zwischen Companions oder Factions. Aber es macht die Welt auch egaler und leerer, weil es wenig Anpack für die 1000 kleinen Details gibt, die meine verschiedenen Durchläufe von DAI voneinander unterscheiden.
Ob man den "zuviel fluff" oder den "null fluff" Ansatz jetzt besser findet, ist wohl Geschmackssache. Der Ehemann mag DAV lieber, weil wo das Spiel gut ist, ist es wirklich gut und ihn nerven die leeren Maps einfach furchtbar - ich persönlich mag dann doch eher den Fluff und mir fehlen die 1000 kleinen Plotdetails, die weggefallen sind und die Plotstränge, die jetzt nie ein Ende finden werden. Ich spiele die leeren Maps und Fetchquests allerdings auch mit Hörbuch auf den Ohren, also ist das vielleicht cheating... ;-)
Damit ist DAV "nur" mein 3. liebstes DA Spiel und landet damit immer noch weiiit vor Origins - "echte Fans" zünden vermutlich schon ihre Fackeln an und suchen nach den Forken^^ - das einfach schon altbacken war, als ich es gespielt habe und das ich unbetrauert nach einem Durchlauf wieder weggelegt hätte, gäbe es nicht DA2. Bestes DA ever, come and fight me! ;-)
Ich könnte noch 10.000 Worte mehr schreiben, über all die Dinge, die ich gerne gesehen hätte, die verschiedenen Pro & Contra Punkte des Phänomens, das wir haushaltsintern als die "Mass Effectification of Dragon Age" bezeichnen (und das sich in sovielen Dingen findet, von der Game-Mechanik, über Quest-Strukturen, bis hin dazu wie die Romances geschrieben sind...), aber wenn man diese Spiele nicht 10x gespielt hat, versteht man das vermutlich genausowenig wie meine Bingo-Karte und ich könnte es auch nicht in 3 Sätzen zusammenfassen. Kommt gerne auf einen Kaffee vorbei und dann erzähle ich euch das IRL, ich kann stundenlang über Bioware Spiele fabulieren, sie leben mietfrei in meinem Kopf in einer Weise, die einfach keine anderen Franchises bisher zustande gebracht haben.
Und genau deswegen bin ich froh, dass DAI eine Fortsetzung bekommen hat, der Tresspasser DLC wäre ein furchtbar frustrierender Abschluss dieser Story gewesen, und ich mag vieles an DAV. Aber wie immer finde ich gute Ideen mit ungenutztem Potential nur einfach schlimmer, als rundweg schlechte Ideen, also klingt meine Review vermutlich ein wenig traurig. Wie gesagt, wir hatten 10 Jahre, um Erwartungen aufzubauen, ein gewisses Maß an Enttäuschung ist wohl vorprogrammiert. ;-)
Es gibt allerdings ganz konkrete Entscheidungen - wie das völlige Absägen der Worldstates, die Beschränkung auf 3 Spielstände (halloo es gibt allein 7 Factions?!) und der Verzicht auf einen Prolog für neueinsteigende Spieler:innen, die ich bei aller Rücksicht auf development hell einfach nicht verstehen kann. Also pendle ich mich bei denselben 4,5 von 5 Spiegelscherben ein, wie bei den anderen Spielen, denn irgendwas ist ja scheinbar immer ... die sich ewig wiederholenden Maps von DA2 stören mich nur am wenigsten. ;-)
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