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23.11.2018

Listening to: The Mists of Avalon. Oder: Nostalgie vs. Perfektionismuslupe

Wir haben in der etc Folge für Anfänger, die sich nicht anzufangen trauen darüber gesprochen, dass es helfen kann sich seine alten Lieblingsbücher noch einmal vorzunehmen und mit voller Absicht derselben Perfektionismuslupe zu unterwerfen, die man an sich selbst oft anlegt. Nicht, weil wir Literatur hassen und der Meinung sind, dass man alles schlecht machen muss, sondern um ein wenig Perspektive dazu zu gewinnen, dass es keine Perfektion gibt und dass sie auch unnötig ist, weil wir offensichtlich Dinge mögen auch wenn oder gerade weil sie nicht perfekt sind.
Und weil ich mich gerne an meine eigenen Ratschläge halte - und ein wirklich wirklich langes Hörbuch brauchte für die 2 Wochen Gartenarbeit...;-) - habe ich bei Audible mal einen Old Time Goldie von mir ausgegraben: Mists of Avalon geschrieben von Marion Zimmer Bradley, gelesen von Davina Porter. Die Sprecherin könnte man schon kennen, wenn man öfter meinen Blog verfolgt und sie war ein gutes Verkaufsargument, aber nur für den Fall, dass es noch Menschen gibt, die nicht wissen worum es geht:

A posthumous recipient of the World Fantasy Award for Lifetime Achievement, Marion Zimmer Bradley reinvented - and rejuvenated - the King Arthur mythos with her extraordinary Mists of Avalon series. In this epic work, Bradley follows the arc of the timeless tale from the perspective of its previously marginalized female characters: Celtic priestess Morgaine, Gwenhwyfar, and High Priestess Viviane.

1. Die guten alten Zeiten
Ich hatte meine "Bradley-Phase" im Teenageralter so zwischen 15 und 18, nachdem ich von Winnetou und Konsorten zunehmend genervt war und dringend mal was ohne Christliche Moral und Männer lesen wollte.;-)
Und ich muss sagen, dass diese Aspekte auch nach all den Jahren immer noch funktionieren - das mythologisch überhöhte Erzählen kommt besser bei King Arthur als bei Winnetou, weil naja es ist halt irgendwie auch Mythologie und so und das "Wiederbeleben" und quasi "Vermenschlichen" von alten Legenden ist als Prämisse immer noch nicht unspannend, auch und trotzdem es nicht immer funktioniert 100% realistische Psychodispos für Märchenplots zu entwerfen.
Kurzum ich konnte in den 50 Stunden Hörbuch immer noch irgendwie erkennen warum mich diese Geschichte anno dazumal so fasziniert hat, aber wir sind ja hier, um über die Perfektionismuslupe zu sprechen und oh boy...also handwerklich....sagen wir mal Perfektion ist überbewertet.;-)

2. Die Moral von der Geschichte
Man bedenke, ich wollte damals dringend etwas lesen, dass nicht ständig darauf hinausläuft, dass alle guten Menschen am Ende Christen werden. Und das tut Mists of Avalon sehr hervorragend, aber wie das oft so ist, wenn man sich dringend von Dingen losmachen will, schwingt man oft in das entgegengesetzte Extrem, das auch nicht langfristig besser ist.
Ich war also doch einigermaßen schockiert (als Autor und jemand der auf schreibhandwerkliche Dinge achten wollte) wieviele Seiten dieses unglaublich langen Zyklus mit immer und immer und immer und immer wieder denselben! Kreisförmigen! Diskussionen! von Old vs. New Religion gefüllt sind, die immer und immer und immer und immer wieder darauf hinauslaufen "Christen sind ganz ganz böse und Wicc...ähm Kelten sind ganz tolle Menschen und viel besser, oh ja!".
Ich war versucht ein bullshit-bingo zu entwickeln, aber ich hätte die Karte jede 2 Kapitel voll gehabt...;-)
Ich kann als Autor üüüberhaupt nicht mit Menschen, die unbedingt ihre persönliche Missionarische Message in ihren Geschichten unterbringen wollen. Wie mir das damals nicht aufgefallen ist, ist mir schleierhaft, vermutlich war das "Hauptsache Christen sind mal die Bösen" daran Schuld.;-)

3. Perpektiven entscheiden...
So, ich wollte also was ohne Christen - oder zumindest ohne Christliche Mission - und was mit Frauen. Beides funtz hervorragend, aber führt in einer "Männergeschichte" wie King Arthur und seinen Tafelrunden-Freunden auch zu merkwürdigen erzählerischen Entscheidungen, wie zum Beispiel der Tatsache, dass es 2000 Seiten Build-Up zum Konflikt Arthur vs. Mordred gibt, aber weil keiner der Perspektiven-Charakteren dabei anwesend ist, wird so ein Hobbit Ding daraus:
Und dann kämpften sie und am Ende waren beide tot. Schade.
Ich bin jetzt auch nicht so der größte Tolkien Fan #UntertreibungdesJahrhunderts, aber ich denke in einem Büchlein wie dem Hobbit kann man das eventuell noch bringen, aber 2000Seiten Aufbau eines Konflikts für 1 Paragragh Nacherzählung...? Hm. Ja. Perfektion wird überbewertet!;-)

Ich traue mich jetzt kaum Troja noch mal zu lesen - von dem ich immer der Meinung war, dass es das beste Bradley-Frauen-Mythologie-Ding ist - nur für den Fall, dass mir die Perfektionismuslupe da auch dazwischenfunkt, aber andererseits war ja genau das die Übung, daher sollte ich es wohl mal tun...

Bis dahin vergebe ich mal ganz erwachsene 3 von 5 Tafelbecher für das Nostalgieerlebnis mit Lerneffekt.;-)

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