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29.10.2021

Confronting the Classics. Oder auch: Ich wüschte, ich wär halb so gut, wie du dich findest

In letzter Zeit habe ich ja öfter gute Erfahrungen mit Algorythmus-Empfehlungen gehabt, da war es wohl unvermeidlich, dass irgendwann in der Reihe von "andere Lesende lasen auch" mal ein Zonk dabei sein würde...very dated reference, wer's versteht, darf sich mit mir alt fühlen... ;-)

Ich gebe zu, dass meine Meh-Erfahrung mit diesem Buch zu einem nicht unwesentlichen Anteil auf fehlgeleitete Erwartungshaltung zurückzuführen ist. Aber um meinen "ich habe mich vom Cover verleiten lassen und mich nicht damit beschäftigt was das Buch eigentlich ist"  Fehltritt ein wenig zu entschuldigen, der Klappentext zeichnet auch ein sehr falsches Bild.

Bevor es jetzt aber noch kryptischer negativ wird - ich will gleich lieber unkryptisch motzen;-) -worum geht es (angeblich) in Confronting the Classics: Traditions, Adventures and Innovations von Mary Beard?


 

Mary Beard is one of the world's best-known classicists - a brilliant academic, with a rare gift for communicating with a wide audience both though her TV presenting and her books.

In a series of sparkling essays, she explores our rich classical heritage - from Greek drama to Roman jokes, introducing some larger-than-life characters of classical history, such as Alexander the Great, Nero and Boudicca. She invites you into the places where Greeks and Romans lived and died, from the palace at Knossos to Cleopatra's Alexandria - and reveals the often hidden world of slaves. She takes a fresh look at both scholarly controversies and popular interpretations of the ancient world, from The Golden Bough to Asterix.

The fruit of over thirty years in the world of classical scholarship, Confronting the Classics captures the world of antiquity and its modern significance with wit, verve and scholarly expertise.

Jetzt mal im Ernst, was hättet ihr nach dieser Lobhudelei erwartet? Ich erwartete eine kultur- und literaturhistorische Auseinandersetzung mit den griechisch/römischen Klassikern - vielleicht auch ein paar nicht-literarischen Quellen - die mir ein paar neue Ansichten eröffnet über die Relevanz von Antike im 21. Jahrhundert.

Klingt nach einer herausfordernden Erwartungshaltung? Ja, schon, aber wer mir einen Klappentext präsentiert, der absolut so klingt, als hätte die Autorin ihn selber geschrieben, sollte besser auch abliefern?

Man ahnt es vermutlich schon, aber ich sage es ruhig nochmal: Dieses Buch hat nicht abgeliefert. Das fängt schon damit an, dass ich in keinster (in! keinster!) Weise darauf vorbereitet war, dass ich hier eine Sammlung von Buch-Rezensionen verlegt bekommen habe, die irgendwann schon mal woanders erschienen sind. Also...Rezensionen von Büchern anderer Autor:innen, die ich nicht gelesen habe und die sich mit antiker Geschichte beschäftigen, um das nochmal zu erwähnen, keine Rezensionen der Autorin zur Odyssee oder so. Konnte man das erwarten? Ich bin der Meinung, nein...Aber ich gebe ja auch keine Ausgabe meiner gesammelten Blogposts heraus, also was weiß ich schon.;-)

Gut, zugegeben, mir ist bewusst, dass das ein wenig unfair ist. Die Autorin weiß offensichtlich viel über antike Geschichte und einige Ausführungen fand ich durchaus informativ. Sie betreibt also 500% mehr Recherche, als ich für meine Blogposts, aber ansonsten haben wir es hier mit ihrer Meinung zu Büchern zu tun, die ich nicht kenne. Und was soll ich sagen, die Renzension zu dem einen Buch, das ich tatsächlich gelesen hatte, war so...schwierig, dass ich ihr den Rest auch nicht glaube.

Bei diesem Buch handelte es sich um Cleopatra: A Life, das mir gut gefiel, wie man sich erinnert. Die Autorin bemängelt den teilweise zu "flippigen" Schreibstil (zu ihrem eigenen Verstädnis von Humor kommen wir gleich noch^^), was Geschmackssache und ihr gutes Recht ist (ich beschwerte mich ja grade selber noch über flapsige Fußnoten;-). 

Aber ihre anderen Takes sind eher...also sie stellt in der Rezension eigentlich zwei Biographien gegenüber, A Life, die Cleopatra als mover und shaker in antiker Politik betrachtet und eine andere, die aus der vermeintlich gleichen Quellenlage konstruiert, dass sie quasi nur ein hübsches Gesicht ohne Macht war. Und Ms Beard macht das dann zum Kritikpunkt ala "Aber lasst uns nicht vergessen, dass Autor XY genau das Gegenteil sagt, wer kann also sagen welche Interpretation korrekt ist??"

Und ich so: Uhm....hast du grade im Grunde erklärt was Quellenkritik ist und versuchst mir das jetzt als deinen Geistesblitz zu verkaufen? Das ständige Bewusstsein, dass sich aus derselben Faktenlage durch gute Auswahl und internalisierte Vorurteile der Auswählenden diametral entgegengesetzte Versionen von "Historie" zusammensetzen lassen, ist...ist der Punkt! von Historienforschung. Sorry, wenn dir das noch keiner gesagt hat...

Ihr Fazit ist dann mehr: Wir können ja eh nicht wissen wie es wirklich war, brauchen wir dann noch moderne Biographien? Wir haben doch die antiken Quellen, nach denen Cleopatra eine verrückte Hexe war, aber bei denen wissen wir ja wenigstens, dass sie voreingenommen waren?

Ich wollte meinen Kopf gerne gegen eine Wand schlagen, aber habe dann statt dessen das Buch geworfen. Falls man sich nochmal fragen sollte, warum ich immer so gebetsmühlenartig auf der Wichtigkeit von Quellenkritik rumreite: Deswegen!;-)

Dass die Autorin davon nicht viel hält, wird auch an vielen anderen, kleinen Punkten klar, wenn sie sie sich wieder mal darüber beschwert, dass früher alles besser war. Was bei ihr meistens heißt, dass früher noch nicht soviele Leute rumgeschrien haben, dass die Römer böse Imperialisten waren, obwohl ihre eigenen Quellen doch ausführlich erklären, dass sie den Barbaren nur die Zivilisation gebracht haben. Ihr Humorverständnis ist auch eher so Generation-Proto-Boomer, ich glaube für den Satz "kriegt ein Omega Minus für political correctness" hat sie sich lang und ausführlich selber gefeiert. (ehrlich, ich glaube sie hat den Klappentext selber geschrieben, ich habe den wit und verve nicht gefunden, von der brilliance und dem insight und was auch immer das noch alles war, ganz zu schweigen...).

Ich bin dann irgendwann ausgestiegen bei den Rezensionen über Historiker-Biographien, weil das war mir eine Meta-Ebene zuviel - eine Rezension zu einem Buch über einen Typen, dessen Bücher ich auch nicht gelesen hatte. Außerdem hatte sie da so einen merkwürdigen Ausflug in "ja, er hatte einen Harem aus Studentinnen, aber Plato hat ja auch mit seinen Schülern geschlafen und diese erotische Komponente des Mentorings"...ich hoffe wirklich, dass ich sie an dieser Stelle falsch verstanden habe und ihr furchtbar Unrecht tue, weil wenn nicht....EW!

Anyway, jedenfalls braucht niemand dieses Buch, wenn man sich für eine ihrer Rezis interessiert, zu einem Buch, das man tatsächlich gelesen hat, gibt es die vermutlich auch online (wenn auch vielleicht paywall geschützt, weil wie man seinen content mehrfach monetarisiert, hat sie einwandfrei raus). 

Aber was solls, ich konnte wieder ein bisschen motzen, für Prime Content für meinen Blog hat's also gereicht.;-) Mehr als 1,5 von 5 Sonnebrillen ringe ich mir aber dafür nicht ab.

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