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31.07.2023

The Penelopeiad & Galathea. Oder auch: Mythologie mit Gänsehaut

Manchmal sieht man Bücher - oder in dem Fall eine Novelle und eine Kurzgeschichte - im Nachhinein nochmal sehr anders, wenn man andere "Takes" zum selben Thema liest/sieht/hört, oder? Geht das nur mir so? Ich glaube nicht, Tim. ;-)

Es begab sich jedenfalls, dass ich versuchte A Thousand Ships zu lesen und erstmal daran scheiterte (dazu dann demnächst), weil ich die ganze Zeit dachte: Das habe ich schon besser erzählt gesehen. Das wird so ein recurring theme sein, wenn wir über das Buch sprechen, aber in dem Zusammenhang fiel mir ein, dass ich ja mal offiziell für den Blog erzählen könnte, wo ich Griechische Mythologie zuletzt besser erzählt gesehen habe, denn irgendwie hatte ich das noch nicht getan.

Und wir machen das mal in umgekehrter Chronologie, weil die bessere und kürzere Geschichte den ersten Platz verdient hat: Unüberraschenderweise ist es Galathea von Madeleine Miller.

In Ancient Greece, a skilled marble sculptor has been blessed by a goddess who has given his masterpiece - the most beautiful woman the town has ever seen - the gift of life. Now his wife, he expects Galatea to please him, to be obedience and humility personified. But she has desires of her own, and yearns for independence. In a desperate bid by her obsessive husband to keep her under control, she is locked away under the constant supervision of doctors and nurses. But with a daughter to rescue, she is determined to break free, whatever the cost...

Erstmal, ich liebe diese Coverart! (Über das Placement der Titel kann man streiten, ich persönlich bin kein Fan von "vom Autor von" in fast genausogroßem Font wie der eigentliche Titel, aber das ist halt mein #deathbeforemarketing Take;-)

Die Geschichte ist wirklich kurz, aber eingängig und wie jedesmal finde ich in 5 Seiten von Madeline Miller mindestens 10 Sätze, die einfach so schön sind, dass ich sie unterstreichen und einrahmen möchte. Und Galatea als quasi domestic thriller mit Anklängen an The Yellow Wallpaper zu erzählen? *chefskiss* Einfach lesen, mehr kann ich dazu gar nicht sagen.;-)


Bei The Penelopiad von Margaret Atwood war ich nicht sofort so an Bord und habe mich tatsächlich erst ein wenig mit der Darstellung versöhnt, weil ich das Framing von Penelope in A Thousand Ships irgendwie noch schlimmer fand.

“Homer’s Odyssey is not the only version of the story. Mythic material was originally oral, and also local -- a myth would be told one way in one place and quite differently in another. I have drawn on material other than the Odyssey, especially for the details of Penelope’s parentage, her early life and marriage, and the scandalous rumors circulating about her. I’ve chosen to give the telling of the story to Penelope and to the twelve hanged maids. The maids form a chanting and singing Chorus, which focuses on two questions that must pose themselves after any close reading of the Odyssey: What led to the hanging of the maids, and what was Penelope really up to? The story as told in the Odyssey doesn’t hold water: there are too many inconsistencies. I’ve always been haunted by the hanged maids and, in The Penelopiad, so is Penelope herself.”

Beiden Büchern ist irgendwie gemein, dass sie wenig Symphatie für Helena haben. Madeleine Miller ist bisher die einzige Autorin, die es für mich geschafft hat diesen mythologischen Archetypen irgendwie dreidimensionale, nachvollziehbare Menschlichkeit (mit all ihren Fehlern) zu geben. Nathalie Haynes gönnt ihrer Helena wenigstens noch ein wenig Würde, auch wenn eigentlich alle anderen Frauen in ihrer Version von Trojas Fall ihr die Schuld an allem geben, aber Atwood erzählt sie als oberflächliches It-Girl und mich hat das ohen Ende gegen den Strich gebürstet. Man liebt ja seinen Feminismus mit einem guten Schuss von "aber Schlampen sind es selber Schuld", oder?^^

Ihre Penelope ist außerdem einfach unfassbar unsymphatisch, so als pseudo-moralische Sklavenhalterin, aber immerhin denke ich, dass das Absicht war. Ansonsten würde der Furienchor der gehängten Mägde keinen Sinn ergeben, die hier (anders als in anderen Büchern, über die war dann demnächst sprechen^^) wenigstens nicht nur als inconvenience für die arme Penelope abgetan werden, weil sie sich jetzt neue Dienstmädchen suchen muss. Insgesamt mag ich nicht wirklich lange im Kopf von Charakteren sein, die ich nicht mag, von daher war ich jetzt nicht so glücklich mit dieser Novelle, aber ich denke das Framing war beabsichtigt und sollte einfach darauf hinauslaufen, dass alle Beteiligten in dieser Geschichte schreckliche Menschen sind. Immerhin ein Take, den man vertreten könnte, auch wenn mir der emphatische Ansatz von Miller in jeder Hinsicht besser gefällt.

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