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18.12.2010

Die Soziologie und Ich. Oder: Ich bin ein Affen-Elefant!

Ein beliebtes Sprichwort sagt: wer im Schlachthaus sitzt, sollte nicht mit Schweinen werfen.
Es ist mir daher durchaus bewusst, dass man mit einem M.A. Abschluss in Geschichte, Britischer Literatur und Philosophie nicht unbedingt in der Situation ist, die Studienfächer anderer Menschen als sinnlos zu verurteilen - daher würde ich das auch nie tun, wirklich nicht!
Es fällt mir aber manchmal schwer mich mit gewissen Soziologischen und Psychologischen Systemen abzufinden - gerade wenn diese sich als "Naturwissenschaften" begreifen. Auch auf die Gefahr hin mich jetzt sehr unbeliebt zu machen, aber wenn wir Soziologie als Naturwissenschaft definieren, können wir die Schöpfungsgeschichte auch gleich wieder in der Biologie eingliedern.;)

Wenn man also den naturwissenschaftlichen Charakter soziologischer Profile (Wiederholbarkeit, Objektivität und sowas;) prinzipiell in Frage stellt, könnte man sich ja fragen: Wozu dann das überhaupt? Interessanterweise finde ich aber auch diese Herangehensweise völlig unangebracht: Das Problem der psychologischen und soziologischen Forschung sind schlicht und einfach die Versuchsobjekte - wo es um die individuelle Realität von mental sehr komplexen Lebewesen geht, kann meiner Meinung nach die Wiederholbarkeit der Untersuchungen nur auf der Strecke bleiben - das sollte aber nicht dazu führen sich nicht weiter mit psychologischen Prozessen zu beschäftigen.
Nachdem ich also so wortreich verteidigen konnte, warum ich immer noch der Meinung bin, dass viel mehr Menschen ihre ewig ungelösten Probleme einem guten Couchmenschen anvertrauen sollten, auch wenn der menschliche Geist sich nicht so brav untersuchen lässt, wie der durchschnittliche Stein, kann ich mal dazu übergehen von meinem netten "Self-Marketing" Seminar zu erzählen!;)

Eigentlich sollten wir uns ja in diesem Seminar mit Bewerbungen, Techniken für das Bewerbungsgespräch oder Formatvorlagen für Lebensläufe beschäftigen - da wir aber (leider) sehr schnell feststellten, dass ich nicht nur die Einzige war, die schonmal Bewerbungsgespräche (wenn auch nur Vorgespräche) geführt hat, sondern auch tatsächlich die Einzige, die schonmal einen Bewerbungsprozess mit Gesprächen durchlaufen musste, stellte sich das etwas anders dar...
Scheinbar ist es an der RWTH immer noch üblich, dass Menschen bis in ihre späten 30er so sicher in ihren Promotionsjobs verpackt sind, dass sie nicht nur nie eine Bewerbung schreiben, sondern auch nie über ihre Lebensplanung nachdenken mussten - ich weiss nicht, wie es euch so geht, aber ich fand das ziemlich erschreckend!;) Das Seminar gestaltete sich für mich also in zweierlei Hinsicht dadurch etwas anstrengender als gedacht: Zum einen war ich der ständige Referenzpunkt für jedes Feedback und jeden Erfahrungsbeitrag (hatte ja sonst keiner irgendwelche Erfahrungen;) und wurde für das videoaugezeichnete Trainingsgespräch (ich hasse meine Stimme auf Tonband!) gleich mal zum Freiwilligen bestimmt - zum Glück auf der Interviewer-Seite, also wurden meine Aussagen nicht alle danach nochmal analysiert!!! (Trotzdem nicht leicht sich ad hoc irgendwelche schlauen Fragen aus dem Hirn zu saugen, wenn man keine Ahnung vom Fachgebiet oder dem Job hat, um den es eigentlich geht - aber hier hilft die Impro-Erfahrung aus der Theatergruppe, ich werde nie wieder darüber schimpfen...oder nicht mehr soviel!;)
Zum anderen waren die 4Stunden Self-Assessment und Persönlichkeitsprofil-Erstellung für mich erstmal nicht so spannend - in meiner gegenwärtigen Lebensposition wäre es etwas spät damit anzufangen rauszufinden wer ich eigentlich bin und was ich mit meinem Leben gerne anfangen würde...;)

Da ich aber der Soziologie - trotz aller wissenschaftlichen Bedenken;) - gerne eine Chance gebe und auch dieses Seminar mir wieder einmal gezeigt hat, wie viele Menschen tatsächlich durchs Leben laufen, ohne sich selbst zu reflektieren, oder einen halbwegs realistischen Blick für ihre eigene Persönlichkeit zu entwickeln, bin ich natürlich geneigt das mit vorgestellte System mal weiterzuverbreiten - DISG
Man geht davon aus, dass jeder Persönlichkeit 4 Charakterseiten inne wohnen, die unterschiedliche Ausprägungen haben - unsere Stärken liegen in den entwickelten Bereichen, unsere Potentiale in den weniger entwickelten, soweit ist das nicht erstaunlich.
Meist sind 2 Seiten eher stark und 2 eher schwach ausgeprägt - leider habe ich das tolle Lehrbild für Kinder im Netz nicht gefunden, auf dem man sich entscheiden musste, ob man lieber ein starker, einzelkämpferischer Tiger, ein witziger, kreativer Affe, ein bodenständiger, gutmütiger Elefant, oder eine detailverliebte, arbeitsame Ameise sein wollte.
Ich bin ein Affen-Elefant, das steht mal ganz ausser Frage, Tiger-Kämpfe mag ich nicht und Ameisen-Arbeit macht mich ramdösig!;)
Das Ganze hat aber natürlich auch einen Bezug zur Job-Wahl, sonst wäre es ja eher unangebracht in einem Bewerbungstraining gewesen: Als starker G-Typ bin ich gut im Labor, oder in der Finanzverwaltung untergeracht, wo es auf repetetives, detailgenaues Arbeiten ankommt, als starker D-Typ sollte ich eher im Verkauf, oder der Kundenaquise arbeiten. Setzt man einen G-Typ in eine Manager- oder Vertriebsposition braucht er tagtäglich viel innere Kraft, um seinen Mangel an diesen D-Fähigkeiten zu kompensieren und wird irgendwann völlig unglücklich und geburnoutet sein, wie man neudeutsch so schön sagt.

Ich denke, wenn man sich noch nie über solche Dinge Gedanken gemacht hat, kann so eine Analyse schon sinnvoll sein, aber trotzdem sollte die stärkste (auch im Land of Truth vorgetragene) Kritik noch zur Sprache kommen: Hier geht es um Selbst-Einschätzung.
Da die eigene Realität aber subjektiv ist, setzt der Erfolg dieser Selbst-Analyse ein gewisses Maß an Ehrlichkeit und ungetrübter Inneneinsicht voraus. Persona oder auch Persönlichkeit leitet sich bekanntlich vom griechischen Wort für Maske ab - ein Mensch dessen Maske also soweit entwickelt ist, dass sie ihm schon die realistische Selbsteinschätzung versperrt, wird auch mit dieser Analyse nicht glücklich werden - er wird nur sehen, wie er gerne wäre, nicht wie er ist.
Ich würde gerne sagen, hier kann ja dann die Fremdwahrnehmung von Freunden und Kollegen helfen, aber 1. wird ein unsicherer Mensch selten eine Fremdwahrnehmung zulassen, die seinem einen Selbstbild widerspricht ("Ich kenne mich ja wohl besser, als die Anderen.") und 2. kann es durchaus sein, dass er gar keine engen, vertrauten Menschen um sich herum hat, weil er niemanden hinter seine Maske blicken lässt.
Hier könnte ein erfahrener Therapeut helfen, aber die Maske "Selbstsicherheit" wird wohl auch das nicht zulassen - Hilfe suchen ist in dieser Realitätswahrnehmung gleichbedeutend mit Niederlage und Scheitern - und sich lieber weiter darüber wundern, warum das Leben einfach so schwierig und ihr Träger immer so unglücklich ist.

Diese ganzen Vorbehalte einzubringen hätte aber a) den Rahmen des Seminars gesprengt und b) meinen eignen Klugscheißer-Outsider Posten so sehr gefestigt, dass ich  - ich hoffe aus verständlichen Gründen - darauf verzichtet habe sie anzubringen...dazu ist ja der Blog da!;)

In diesem Sinne einen schönen Abend und einen geruhsamen Sonntag!

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