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02.05.2015

Anna Karenina. Film vs. Vorlage

Einen neuen Film hatten wir ja auch ewig nicht mehr, also ändern wir das mal kurz - auch wenn dieser Kostümschinken hier nicht wirklich "neu neu" ist, aber es mag ja immer Menschen geben, die in ihrer Filmographie genauso hinterher hängen, wie ich!;-)

Ich erwähnte schonmal, dass ich das Buch mag - eines meiner "geht immer" Hörbücher und so ergiebig, ungekürzte Laufzeit bei irgendwas unter 45Stunden ;-) - und manchmal wage ich es ja tatsächlich auch Verfilmungen von Büchern anzusehen, die ich mag. Es gibt Menschen, die davon abraten, aber ich bilde mir immer ein ich hätte inzwischen genug über Plotlines und Stilmittel in verschiedesnten Medien gelernt, dass ich objektiver an die Frage herangehen kann, wann etwas ein gutes Buch ist, wann etwas ein guter Film ist und wann etwas eine gute Verfilmung ist, oder auch "nur" ein guter Film "nach Motiven von", was ja auch keine schändliche Option ist, auch wenn das immer behauptet wird.;-)

Aber bei Anna Karenina war ich doch skeptisch - was ich von Szenerie und Kostümen gesehen hatte, war vielversprechend und die Besetzung jetzt auch nicht ohne, aber die zentrale Frage war ja: Kann man ein 600 Seiten Buch in 2 Stunden Film unterbringen?
Die Antwort für mich heißt leider nein, aber fangen wir mal mit den positiven Aspekten an:

1. Eine gute Idee, ist eine gute Idee, ist eine gute Idee
Die Vision die ganze Handlung in ein Theater zu übertragen, in dem die großen Gesellschafts-Szenen im Ballsaal oder auf der Bühne und Dinge, wie Straßenszenen, Abendessen und andere private Treffen im Backstage oder in den verschiedenen Leveln der Bühnenbilder passieren, ist einfach großartig. So ganz konsequent ist die Umsetzung ab und zu zwar nicht - die Landschaftsszenen in der Natur kommen nicht ohne Natur aus;-) - aber Kostüme und Choreographien der Statisten sind detailreich und durchdacht. Oblonskys Büro ist die schönste Kostüminzenierung seit der Elefantenszene aus Moulin Rouge. ;-)

2. Keep to the script
Tom Stoppart schreibt gute Drehbücher, das weiß man nicht erst seit gestern. Shakespeare in Love ist z.B. nicht nur ein amüsanter Film, das Drehbuch liest sich fast besser als so mancher Roman.;-) Also hat man hier schon den richtigen Mann für den Job und es gefällt mir sehr, dass viele (ich will fast behaupten die meisten) Dialogpassagen 1 zu 1 aus dem Original kommen, was dafür spricht, dass man sich mit der sinnvollen Kürzung des Textes Mühe gegeben hat.

ABER

3. Der Trailer zum Buch
Leider lässt sich ein 600 Seiten Buch nicht auf 2 Stunden kürzen - meiner Meinung nach - ohne dass dabei mehr als 50% der wichtigen Charakterentwicklungen auf der Strecke bleiben. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl einen ziemlich hektisch geschnittenen Trailer zum Buch zu sehen - nette Bilder, aber um zu verstehen was passiert, muss man wohl Das Ganze abwarten. Und das ist schade, denn der Roman lebt (für mich) vor allem von dem langsamen Verfall und Aufbau seiner Figuren - wie gesellschaftliche Konventionen zusammenspielen, wie es erst beinahe so aussieht, also könnte man die Regeln brechen, bis dann doch alles zusammenfällt, das alles fehlt der Anna aus dem Film. Hier wird viel wert auf den Anfang der Geschichte gelegt, aber wenig auf den Schluss, so dass der unvermeidliche letzte Ausweg seltsam sprunghaft und überreagiert wirkt.
Überhaupt tut die Zeitraffer-Optik den Frauen der Geschichte (Anna, Dolly & Kitty) keinen Gefallen, um deren verschiedene Auffassungen und Probleme mit der Liebe es ja nun schlußendlich geht. Dadurch, dass immer wieder Monate übersprungen werden (ohne dass der Film das irgendwie deutlich macht), wirken die Damen irgendwie sprunghaft und recht oberflächlich, was sie nun wirklich nicht verdient haben. Allerdings muss man bei aller weiblichen Solidarität erwähnen, dass den größten Schaden der jungendliche Held nimmt - erst darf er nicht versuchen sich zu erschießen, dann ist er plötzlich Schuld an der Morphium-Abhängigkeit seiner Feundin und am Ende nimmt man ihm sogar noch seinen Abschied als gebrochener Mann weg - nicht nett, Mr. Stoppard!

4. Aber wie denn dann?
Ich halte ja nichts davon mich zu beschweren, um mich zu beschweren, also habe ich mich gefragt: Wie hätte man es denn besser machen können?
Eventuell hätte man mit einer anderen Besetzung doch mehr erreicht - Jude Law als Karenin ist sehr gut, aber nur eine Randfigur, der Vronsky Darsteller ist mehr jugendlicher Held als irgendwas sonst (was dem Charakter Unrecht tut) und leider halte ich Ms Kneightly für ziemlich überschätzt als Darstellerin - auch wenn sie Erfahrung darin hat Kostüme zu tragen. Mit ein paar ausdrucksfähigeren Hauptdarstellern wäre also noch was rauszuholen gewesen, aber das hätte das essentielle Problem nicht gelöst...
Ich denke wenn es mein Script gewesen wäre - und angenommen ich hätte tun dürfen, was ich will - hätte ich die Geschichten um Dolly & Kitty wohl komplett weggelassen, zumindest nach der Ballszene sind beide für die Vronsky/Anna/Karenin Geschichte nicht mehr wirklich entscheident und die Handlungsstränge "einzusparen", hätte mehr Raum für die zentrale Geschichte gelassen. Das wäre dann ein Film nach Motiven von gewesen, der eventuell aber wenigstens 3 Figuren gerecht geworden wäre.
Aber wenn ich ehrlich bin: Ich hätte überhaupt keinen Film daraus gemacht. Wenn sich ein Stoff für eine neue "stecken wir Leute in Kostüme, das verkauft sich grade gut" HBO Serie anbieten würde, dann bitte Anna Karenina!  Sex, Betrug, Tod und Drama - what's not to like?;-)
Naja vielleicht kommt ja mal irgendwann jemand auf die Idee - 10-20 Episoden lassen sich aus 600 Seiten bestimmt rausholen!

Für den Film gibts 3 Punkte für Idee, Text und schöne Bilder für mein Kopfkino, wenn ich das Buch das nächste mal lese - Trailer zum Buch, vielleicht ein neues Genre in the making.;-)

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