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16.10.2020

Christina of Sweden. Oder: Wie man Historiker beschäftigt hält

Trotz all der neuen Bücher, die ich im Juli kaufte, wäre es natürlich trotzdem merkwürdig, wenn mir nicht irgendwie doch wieder Sachbücher dazwischenrutschen würden und das ist mir sowohl und Hör- also auch in Buchform passiert...nicht, dass ich mich beschweren will, nur falls man sich wundert, wo der Rest der Besprechungen für die Juli Bücher bleibt.;-)

Aus irgendeinem Grund hatte ich jedenfalls Lust nochmal eine tatsächliche Biographie von Christina von Schweden zu lesen - ich habe zwar schon das Buch aus der Piper Biographien Serie, aber das ist (leider) ein Roman mit nur sehr zweifelhafter Faktenlage. Selbst wenn alle deine Fakten total gut recherchiert sind, ein Roman ist ein Unterhaltungsmedium und ein Sachbuch ein Informationsmedium, da geht einfach kein Weg dran vorbei - Romane können informativ und Sachbücher unterhaltsam sein, aber der Fokus ist einfach ein anderer.

Und was die Interpretation und Quellenkritik (ja, wieder das böse Wort mit Q!;-) angeht, ist Life of a European Eccentric von Veronica Buckley in jedem Fall lesenswert:


Not unlike the elusive figure played by Greta Garbo, the real Queen Christina stood among the most flamboyant and controversial figures of the seventeenth century. All of Sweden could not contain her ambition or quench her thirst for adventure. Freed from her crown, she cut a breathtaking path across Europe -- spending madly, seeking out a more majestic throne, and stirring up trouble wherever she went. With a dazzling narrative voice and unerring sense of the period, Veronica Buckley goes beyond historical myth to breathe life into an extraordinary woman who set the world on fire and became an icon of her age -- a time of enormous change when Europe stood at the crossroads of religion and science, antiquity and modernity, war and peace.
"Geschichte wird ewig neu geschrieben, neu bewertet und neu interpretiert. Wie sonst würden wir Historiker beschäftigt halten? Wir können Menschen mit dieser Art von Hirn nicht einfach erlauben zuviel Freizeit zu haben."
Das Pratchett Zitat ist nur paraphrasiert und ich bin grade unsicher, ob es aus Nightwatch oder Thud ist, aber das tut auch nichts zur Sache, man freue sich einfach nur über die Zu Wahr Um Schön zu Sein Qualität der Einsicht!;-)

Wie man weiß, liebe ich kritische Neubetrachtungen gerade "berühmter" historischer Figuren - die Tudors (soviel schlimmer als man glaubt), die Borgias (nicht halb so schlimm wie man glaubt) und nun auch Christina von Schweden.

Die Piper "Biographie" ist sehr dem Kult der "unabhängigen Königin" verschrieben, die sich von den Beschränkungen ihres Throns lossagt, um sich für den europäischen Frieden einzusetzen. Was dabei allerdings niemand erwähnt, ist, dass die meisten Beschreibungen ihrer großartigen Geistesgaben, ihrer unbändigen Freiheitsliebe und ihres vielschichtigen Politiktalents auf ihre eigenen Aussagen über sich selbst fußen.

Die Autorin dieses Buches macht sich mal die Mühe eine halbwegs differenzierte Quellenkritik zu betreiben und diese Vision von Grandiosität den tatsächlichen Konsequenzen der Handlungen gegenüberzustellen und kommt zu wenig schmeichelhaften Ergebnissen.

Ja, man kann große Geistesgaben "für eine Königin" haben, aber wenn man in einer Zeit lebt, in der die landläufige Meinung gekrönten Häuptern schon Geniestatus zuschrieb, wenn sie mehr als ihren Namen schreiben konnten, heißt das jetzt nur bedingt viel. Und nur weil man sich selbst für unglaublich subtil und hinterlistig hält, bringt das leider nicht so viel, wenn einen die Umgebenden immer sofort durchschauen...irgendwann wird es nur noch traurig.;-)

Wie gesagt, ich mag Quellenkritiklastige Sachbücher, daher hatte ich meinen Spaß an diesem Buch - wer lieber weiter an das Gute in Menschen glauben will, sollte es vielleicht auslassen...;-)

5 von 5 Kardinalshüte sollten also schon drin sein!

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