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07.11.2022

Eine kleine Kostümgeschichte

Jaja, ich weiß, Halloween ist inzwischen schon lange vorbei, aber wir bleiben einfach bei der "es ist eine Lebenseinstellung, kein Datum" Sache - und außerdem geht es heute im Recherche und Improvisation und das sind ja nun skills, die man immer brauchen kann, no? ;-)

Ich hatte es im Video ja schon erwähnt, die 1650er sind was die "Kostümifizierung" der Mode ein wenig ein Stiefkind, weil sie genau zwischen den Tudorkleidern und den Rokoko-Paniers liegen, also gegen 2 "erkennt fast jede/r" Epochen antreten müssen.

Aber die Zirkelchroniken spielen nun einmal nach dem Westfälischen Frieden, daher musste ich mir einen Eindruck verschaffen was Frau und Mann damals so trug und kann dafür als großartige Quelle zur Recherche, das Archiv von Fashion History nur wärmstens empfehlen, in dem man verschiedene Epochen vergleichen kann.

Generell waren/sind für mich die Damen ein wenig interessanter, zum einen weil meine Ich-Erzählerin zumindest meistens in Frauenkleidern herumläuft und zum anderen, weil ich ja ein Kostüm für mich improvisieren wollte. Und da gillt es immer zunächst mal 2 wichtige Dinge zu prüfen: Silhouette und Frisur.

Zur Silhouette gehören die Schulter/Dekolletepartie, die Ärmel, die Rockform und alles andere, das den generellen Eindruck umfasst. Wie man an diesem Bild schön sehen kann, suchen wir für die 1650er nach schulterfreien Kleidern, gerne mit Schultertüchern, bauschigen Ärmeln, spitz zulaufenden Miedern und durchaus Volumen in den Röcken, auch wenn es nicht mehr die steifen Tudor-Reifröcke und noch nicht die breiten Hüftpaniers hat.

Bartholomeus van der Helst (Dutch, 1613-1670). Mary Stuart, Princess of Orange, as Widow of William II, 1652.
Außerdem brauchen wir offensichtlich ein Brenneisen - oder einen Lockenstab - denn hier gibt es keine Dame, die etwas auf sich hält, ohne Korkenzieherlocken. Und Schoßhund, aber der ist wohl optional. ;-)

 

Abraham van den Tempel Leeuwarden (Dutch, 1622-1672). Portrait of Odilia van Wassenaar, 1655

Ich habe in meinem Kostümarsenal bekanntlich 2 Optionen, die aber beide 150-200 Jahre zu früh oder zu spät sind. Miss Tudor habe ich damals an diesem Portrait orientiert, aber die Haube für die Haare geht leider gar nicht und auch wenn die Schulterpartie und die Über-Ärmel schon ähnlich sind, habe ich mich am Ende dagegen entschieden - zum einen hätte ich die Unter-Ärmel aus dem Kleid herauslösen müssen, weil ich sie historisch ganz unkorrekt angenäht habe, zum anderen stimmt der sehr eckige Ausschnitt gar nicht und sieht egal was man tut, zu identifizierbar nach Tudor aus.

 Attributed to William Scrots (active 1537-53), Elizabeth I when a Princess c.1546

In der Zeit von Miss Melly stimmen zumindest die Über-Ärmel auch grob und die lange, spitz zulaufende Jacke & bauschigen Röcke haben wir auch. Dummerweise sind die Kleider nur viel zu hochgeschlossen und das ganze noch mit einem Kragen abzusetzen, macht es nur noch schlimmer.
Artist/maker unknown, Woman's Dress with Day and Evening Bodices, c. 1858 


Aber im Geiste der Mary Stuart im ersten Bild (übrigens nicht *die* Mary Stuart, eher ihre Enkelin;-), dachte ich wenn die Form ansonsten stimmt, können wir ja mit einem hübschen, auffälligen Schultertuch die Tatsache verschleihern, dass die Jacke eigentlich an den Schultern enden müsste - hier sind der Kragen und die Ärmel zudem auch optional, also einfach weg damit.;-)

Und der Rock kommt auch so ganz gut hin, zumindest mit 2 Tüll-Unterröcken darunter - und den Schoßhund gab's sogar umsonst dazu! ;-) Und nein, für ein Video, in dem ich nur sitzen musste, habe ich das Riesending nicht gebügelt...

Das lässt noch das Problem mit dem Lockenstab, denn sowas besitze ich nicht und mein Kopfgemüse ist nach 3 Jahren ohne Friseur auch so lang und schwer, dass es sich vermutlich nicht rollen lassen würde, selbst wenn ich die Geduld gehabt hätte zu lernen wie man sowas macht. Lange Rede, kurzer Sinn, meine Korkenziehenlocken kommen aus dem Karton als Haarteile und auch wenn die Farbe nicht wirklich stimmt, fiel es zum Glück nicht so großartig auf, weil mein eigenes Haar den Dutt am Hinterkopf bilden konnte, der zu vielen Frisuren dazugehörte. Dann noch ein Haarband, wie in Bild 2 und schon kommen wir dem Gesamteindruck so nahe, wie es grade ging. Wenn ich die Haarteile nochmal verwenden will, würde ich vorher vielleicht meine eigenen Haare dunkelbraun tönen mit irgendwas, das sich wieder auswäscht, aber das ist jetzt nur der Lerneffekt fürs nächste Mal.

Insgesamt war ich mit dem Allgemeineindruck sehr zufrieden und habe sogar meine weißen Handschuhe und den Fächer aus (echter) Brüsseler Spitze rechtzeitig wiedergefunden. Die sind zwar beide nicht historisch korrekt, aber ich hatte keine Lust meine Tattoos zu überschminken und es war einfach viel zu WARM für Oktober! ;-)

Ich hoffe das war ein wenig aufschlussreich für euch und was immer ihr tut, schaut mal bei Fashion History vorbei, da kann man viele tolle Dinge lernen! :-)

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