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09.06.2023

Everything, Everywhere, All At Once. Oder auch: Das beste aller Multiversen

Mir fiel letztlich auf, dass ich in den letzten Jahren eigentlich nicht mal deswegen nicht im Kino war, weil es Hygieneauflagen oder sowas gab, sondern eigentlich eher, weil ich dem Filme kuken mit vielen fremden Menschen immer weniger abgewinnen kann. Es gibt ab und zu immer mal wieder so einen Film, bei dem ich mir denke "ok, wenn man den nicht auf der großen Leinwand sieht, kommen die Effekte vermutlich nicht so rüber", aber das sind dann ja auch die Filme, bei denen man (aka ich;-) ein wenig unterschwellig unterstellt, dass sie außer Bombast nicht soviel zu bieten haben werden, was sich dringend anzuschauen lohnt - so zumindest mein bösartiges Vorurteil.;-)

Aber bei allem anderen bin ich einfach gerne die Einzige, die unqualifizierte Kommentare reinquatscht, oder entscheidet, dass jetzt ein guter Zeitpunkt für eine Pinkelpause ist - und die Snacks sind Zuhause auch einfach besser, von der Sitzbequemlichkeit mal ganz abgesehen.

Bei Everything, Everywhere All At Once kam außerdem noch ein anderer Faktor dazu, den ich schonmal an mir beobachte: Ich will einfach abwarten, bis alle ihre unfassbar dringenden Hot-Takes losgeworden sind, keiner mehr über den Film reden will und DANN kann ich das in Ruhe nur für mich alleine genießen, ohne dan ganzen Diskurs(TM) im Internet mitschleppen zu müssen. Vielleicht entgeht mir dabei was, aber dieser ganze man muss immer alles sofort wahrnehmen Hype geht mir eh auf die Nerven, also was solls?;-)

Ich habe viele Gedanken zu dem Film, von denen ich die wenigsten schon so zu Ende gedacht habe, dass ich sie aufschreiben will, aber das wird sich vermutlich auch so schnell nicht ändern, also machen wir die Review einfach jetzt und fassen uns kurz, ist ja auch mal nett, no?

Ich glaube, mein größtes Problem - zumindest zu Anfang des Films - war mein eigenes verfehltes Erwartungsmanagement. Das kann schonmal das Dumme daran sein, die ganzen Hot Takes auszulassen, denn durch kulturelle Osmose hatte ich nur mitbekommen, dass der Film gut ist, lustige Kampfszenen enthält und Vieles womit sich Menschen aus der Chinesisch-Amerikanischen Community identifizieren konnten. Ich war also weniger darauf vorbereitet am Ende des Films nach meinen Taschentüchern suchen zu müssen und wollte an dem Abend auch eigentlich keinen emotional aufwühlenden Film, aber nunja, da war ich halt selbst Schuld.;-)

Prinzipiell kann ich nichtmal sagen, dass ich "lustig" als Prädikat so vergeben würde, aber das liegt vermutlich auch wieder an mir, mein Humorzentrum ist das einer 4-jährigen, mich amüsieren schreiende Ziegen und Leute, die lustig auf die Nase fallen (in einem fiktionalen Kontext, in dem niemand wirklich verletzt wird, versteht sich). Kampfchoreos mit Butt-Plugs und Dildos sind eher lustig für Menschen mit pubertärem Humorzentrum, glaube ich ... was absolut nicht kritisch gemeint ist, by the way!;-)

Ich war durchweg sehr fasziniert auf jeden Fall, das wäre so das Wort, das ich benutzen würde, denn ich habe lange keinen Film mehr gesehen, der auf so vielen verschiedenen Ebenen funktioniert. Es ist eine Kunst Filme zu machen, über die man sehr viel nachdenken kann, aber nicht zwingend muss, um sich unterhalten zu fühlen. Und ich glaube die Absurdität, die hier als Stilmittel verwendet wird, kommt einigen vielleicht merkwürdig vor als Vehikel für tiefsinnigeres Gedankengut. Zumindest erinnere ich mich aus meinen Shakespeare-Analysetagen noch an sehr viele Diskussionen, die darauf hinauslaufen wollten, dass Peniswitze und Gesellschaftskritik doch nicht gleichzeitig wahr sein können, was natürlich völliger Humbug ist.^^

Ich ertappe mich jedenfalls dabei, dass ich inhaltlich gar nicht soviel zerdenken (oder von anderen zerreden) lassen will, bevor ich den Film nicht noch mindestens ein paar Mal ansehen konnte, um die Detaildichte auf mich wirken zu lassen - und die Dildo-Kampfszenen, nur weil ich Dildo = instant hilarious so nicht nachvollziehen kann, waren die trotzdem sehr gut gemacht!

Aber bis dahin können wir vielleicht trotzdem mal festhalten, dass es mehrere Versuche in jüngerer Vergangenheit gab eine Art "Multiversum" darzustellen, die massiv größere Budgets hatten und nicht annährend so kreativ waren - was meiner kleinen Künstlerseele wieder mal beweist, dass nur Geld auf etwas zu werfen nicht zwangläufig zum besseren Ergebnis führt. Ich wäre jedenfalls gerne bei dem Pitch-Meeting gewesen, in dem jemand aufstand und sagte: Eine Szene, in der sich zwei Steine per Textkarten über das Universum unterhalten und das machen wir mehrere Minuten lang? Und alle so: Ja, das klingt nach einer geilen Idee! War's auch, fand ich, aber die Eier muss man erstmal haben. ;-)

Das man da 5 von 5 Wurstfingern vergeben muss, war schon von Anfang an klar, oder?

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