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04.03.2019

Outlaw King. Oder: Dramatisiert, muss nicht stimmen.

It is a truth universally acknowledged, dass wenn du irgendwann mal unvorsichtig genug warst, nicht nur öffentlich kundzutun, dass du mal Geschichte studiert hast, sondern auch noch, dass dich der Shit tatsächlich interessiert, man dich fragen wird "Ach ja, Historischer Fakt/Person XY, dazu hab' ich den Film gesehen, das war doch soundso, ne?"
Was folgt ist variabel aber endet meistens in: ...it's complicated. ;-)

Ich versuche daher (meistens) Historienfilme ähnlich anzugehen wie Buchverfilmungen* und mich darauf zu konzentrieren was der Film tut und ob der Film als solches funktioniert und erst nacher zu überlegen, ob er außerdem ein paar historische Fakten korrekt darstellt.

Und btw ja, ich sage mit Absicht "ein paar", denn Leben ist messy und ein schrecklicher Erzähler, das heißt jede historisch motivierte Erzählung wird 3 Dinge tun:
- Vereinfachen
- Kürzen
- Polarisieren
Echte Leben von echten Personen scheren sich meistens nicht um Pacing, Plotlines und ob man den Protagonisten vom Antagonisten unterscheiden kann und daher sind die oben genannten Dinge ein großes NONONO in der historischen Forschung, aber beinahe unverzichtbar für historische Erzählungen.
Bum. 10 Jahre Studium wohlweislich genutzt und schon erklärt warum historische Erzählungen immer "nach Motiven von" sind.;-)

Nach dieser motivierenden Vorrede, lasst uns mal über Outlaw King sprechen!


Ja ich weiß, ich habe grade gesagt, dass man sich die historische Recherche für nach dem Film aufheben soll - und das habe ich auch! - aber für die Rezi macht es trotzdem mehr Sinn so rum, weil man sich dann weniger wiederholt. Bear with me!;-)


1. Was historisch stimmt
- In der Grundlage ist Outlaw King das "wir machen es besser" Sequel zu Braveheart (als Film ok, als Historie so schlimm, dass es fast nicht schlimmer geht;-) und thematisiert die Freiheitsbemühungen Schottlands gegen die englischen Expensionswünsche. Soweit so richtig, dieser Konflikt ist Jahrhundertealt und wurde wie ungefährt alle diese Konflikte auf beiden Seiten unschön geführt. England war aber ganz klar der größere Agressor, auch das stimmt (dazu kommen wir trotzdem gleich nochmal).
- Schottland als der chronisch unterlege Underdog, weil innerlich uneins und zerstritten, ist auch soweit völlig richtig und mich erfreut es besonders, dass sie sich die Zeit nehmen mal aufzuzeigen warum diese Clans alle so a'feudin' & a'fightin' sind, oder auch: In einem kleinen Königreich in dem "Jeder ist der Cousin des Königs" ein geflügeltes Wort ist, braucht man sich über Powerstruggles nicht zu wundern...
- Und um das nochmal lobend zu erwähnen: Niemand trägt Kilts oder Clan-Tartan in diesem Film, geschweige denn diese blaue Gesichtsfarbe...Es ist inzwischen dank Braveheart sogar in Schottland wieder weit verbreitet so zu tun, als wäre das historisch korrekt, aber wenn überhaupt war Gesichtsbemalung so ein Keltending und war 1200 vermutlich schon "ausgestorben" und Kilts/klar definierte Clanfarben sind eine sehr späte Erfindung, die nichtmal zu Zeiten von Maria Stuart bekannt war, geschweige denn 300 Jahre früher.^^
- Wo wir grade beim Loben sind: Der Haupt-Plot des Films beschäftigt sich mit der "Erkenntnis" von Robert Bruce, dass Ritterlichkeit und dieser ganze Kram einem nicht hilft, wenn man haushoch unterlegen ist und Guerilla-Taktiken viel sinnvoller sind, wenn man tatsächlich gewinnen will und nicht heroisch untergehen.
Natürlich hat er diese Überlegung auch nicht "erfunden", aber die "Charaktermotivation" stimmt soweit und damit können wir Setting, Konflikt, Haupt-Plotline und Ausstattung/Look schonmal als für eine Verfilmung ausreichend zutreffend verbuchen, bevor wir weitermachen!

2. Was historisch nicht stimmt und mich stört
In diese Kategorie kommen - wieder ähnlich den Buchverfilmungen - Dinge, die der Film unter den Tisch fallen lässt oder abändert, wo es meiner Meinung nach nicht nötig gewesen wäre. Es gibt bestimmt etliche Details, die nicht stimmen, aber dazu haben wir ja die ewige Vorrede gehalten.;-)

- Englands Anführer leiden ausnahmslos am "King John Syndrom", während die Schotten alle aufrechte noble Männer sind...
Verbrannte Erde war eine Kriegstaktik beider Seiten (wie das eigentlich IMMER so ist) und das Abbrennen der schottischen Festungen wird hier als heroisches "wir überlassen nichts dem Feind" Statement geframed, was es vielleicht auch war, aber eigentlich wurden vor allem die Häuser von Clans angezündet, die mir Robert Bruce nicht einverstanden waren...Jeder ist der Cousin des Königs und so...
Ich weiß, ich habe oben gesagt, dass Polarisierung normal bis notwendig ist und ich stehe dazu, dass Dramatisierung historischer Tatsachen nicht stimmen muss, um eine gute Geschichte abzugeben. Aber diese völlige schwarz-weiß Zeichnung nervt mich trotzdem, es gehen schon genug Nuancen verloren in der Besprechung von Kunst, man könnte wenigstens versuchen in den eigentlichen Werken welche unterzubringen. But maybe that's just me...
- Und apropos Nuancen: Die Vorverlegung der "Entscheidungsschlacht" um die schottische Souveränität und Unabhängigkeit ist noch so ein Ding, wo mir das Streamlining des Konflikts zu weit geht, so sehr ich es aus Erzählersicht verstehe.** Robert Bruce ist nicht durch eine Schlacht magisch zum König geworden, dieser Konflikt ging noch Jahre weiter, vor allem gegen die ANDEREN Schotten bis zur Schlacht von Brannockburn und zumindest die ANDEUTUNG dieser Problematik hätte ich spannender gefunden als das lahme Heldentrope von "eine brennende Rede vereint eine ganze Nation". Da kamen sie dann von Braveheart doch wieder nicht los...

3. Was der Film ansonsten gut & nicht so gut macht
So letzter Punkt, versprochen.;-) Ein paar Dinge, die ich rein filmisch erwähnenswert finde:

- Ich hätte mich über ein paar echte Schotten/schottische Akzente in den Hauptrollen gefreut. Für die deutsche Synchro ist das vermutlich Wumpe und für die Story an sich auch, aber trotzdem. #justsayin
- Der erste Akt kommt arg zu kurz, weil man sich bei aller Schwarz/Weiß Zeichnerei meiner Meinung nach mit zu vielen Charakteren belastet. Vor allem Roberts Brüder und die "Erbsünde" seines Vaters tragen nicht so entscheidend zum Konflikt bei, das ich sie dringend gebrauch hätte. Mit so wenig Zeit, wirkt der Tod des Vaters ("oh ich erkenne meinen schlimmsten Fehler, Husten, Tod") ein wenig unfreiwillig komisch und die Engländer sind SO unsymphatisch, die hätte man auch ohne hassen können.;-)
- Apropos unfreiwillig komisch: Zwischendurch versucht der Film 300 zu sein. Und das ist an sich schade, denn ich mochte die Matsch & Blut Kampfszenen eigentlich, aber ständige Explosionen von künstlich aussehendem Blut sind etwas etwas albern und reißen mich raus...das ist einfach NICHT was passiert, wenn man mit mittelalterlichen Schwertern auf Kettenhemden schlägt und man muss kein Historiker sein, um das zu wissen. Außerdem ist es der einzige Moment, in dem diese Über-Stilisierung zum Tragen kommt, soweit ich mich erinnere, vielleicht wirkte es deswegen so merkwürdig.
- Twitter hatte ja wieder viel zu lästern, daher sage ich mal: Ich fand die Beziehung unseres Helden zu Frau und Tochter ganz nett gemacht! Und kommt mir nicht mit: "Kein Mann geht einfach weg in seiner Hochzeitsnacht!" - das sagt mehr über euch, als über den Film, seriously...
Der Film versucht die Figur der "unoffiziellen Königin" mit ein bißchen historisch authentischem Leben zu füllen -  "We are but the King & Queen of the May" ist scheinbar historisch belegtes Zitat - und als jemand, der sehr gut weiß wie dünn die Quellen für Frauen im Mittelalter sind, finde ich das ein löbliches Vorhaben! Sie wurde allerdings nicht im Käfig an irgendwelchen Mauern aufgehängt, DAS waren Roberts Schwestern, die man sich im Gegensatz zu seinen Brüdern gespart hat zu erwähnen und die wohl auch mehrere Jahre(!) in diesen Käfig-Dingern steckten, nicht nur gefühlte 2 Wochen, aber nunja...man kann nicht alles haben.;-)

Unterm Strich habe ich mich recht gut unterhalten gefühlt, auch wenn ich mir an manchen Stellen gewünscht hätte, man hätte nicht so einen völlig klassischen Ritterfilm imitieren wollen. Mein persönliches Geschmacksurteil tendiert daher zu 3 von 5 Breitschwertern, ymmv.

*Und ja, es gibt Bücher, die ich so sehr mag, dass ich ihre Verfilmungen nicht ertragen kann *husthustHarryPotterhust* und es gibt Historie zu der ich einfach so viel weiß, dass schon der Trailer zu Verfilmungsversuchen mir Wut-Zucken im Augenwinkel macht *hustTudorshust*. Manchmal muss man einfach einsehen, dass man sich manche Filme und Serien besser einfach erspart.;-)

** Was ich damit meine ist: Ich verstehe, dass die Geisteshaltung von "alle, die nicht für uns sind, sind kaum noch richtige Menschen" (siehe Kreuzzüge) heute schwer vermittelbar ist und die Vereinigung von Schottland mit Feuer&Schwert statt Ritterlichkeit und nobler Reden erzählerisch einen "problematischen Helden" erzeugen würde. Aber ich mag problematische Helden, sie sind realistischer offensichtlich.

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