Publikationen, Projekte, Persönliches

01.12.2009

Karottenwurzeln, Fidelmusik und Gegenwartshedonismus

Manchmal ist es schon lustig was man alles so in Wartezimmern lernt.

Bei meinen letzten Arztbesuchen war's ja nun meistens Text - da ist es nur lustig, wie einen die Leute ankuken, wenn man 20min auf eine Seite starrt;) - aber heute hatte ich ausnahmsweise mein Skript mal nicht dabei und war quasi gezwungen mich im Wartezimmer von meiner Kieferchirurgin anderweitig abzulenken. Dabei habe ich gleich 2 Dinge gelernt:

1. Ich finde David Gareth langweilig.
Dazu muss man vielleicht erklären, dass die Zahnzieh-Praxis meines Vertrauens komplett verkabelt ist und in fast jedem Raum mindestens ein Lautsprecher hängt. Normalerweise läuft da die typische Meditations-PlingPlong Musik - vermutlich soll das auf notorische Zahnarzttraumatiker beruhigend wirken.;) Heute durften statt dessen die Sprechstundenhilfen die CD aussuchen und spätestens nachdem mir das dritte Michael Jackson Fidelcover und das passende Fluch der Karibik Medley entgegenschalmeit war, war ich mir ziemlich sicher, dass mich hier schon wieder der neue Klassik Superstar eingeholt hatte. Ich habe das dann mal mit den Arzthelferinnen geklärt, während meine Narkose anwirken musste und hab gleich mal 100 Besserwisserpunkte eingesackt.;D
Trotzdem muss ich sagen, dass ich eine ganze CD mit Jackson-Covern ziemlich öde finde. Zumindest wenn man es so macht wie Herr Gareth - das Pop-Arrangement im Hintergrund läuft unverändert und die Gesangstonspur imitieren wir mit Fidel...im großen Orchestersatz wäre das vielleicht spannend gewesen, aber so...da hilft es auch nicht, dass der Gute aus Aachen kommt und so einen gewissen, ungekämmten Charme hat, langweilig ist langweilig, bleibt langweilig. Hugh ich habe gesprohen!;)

2. Ich bin ein hedonistisch orientierter Gegenwartstyp mit positiver Vergangenheitsverhaftung und antizipatorischer Zukunftsorientierung.
Was ist das spannend wenn im Wartezimmer statt der obligatorischen Gala oder Bild der Frau mal Psychologie Heute rumliegt!;) Da durfte ich dann gleich die neue Arbeitsgruppe des guten Herrn Zimbardo kennenlernen, die sich mit der psychischen Zeitorientierung beschäftigt. (Den Artikel selbst kann man für 1,40€ bei Psychologie Heute im Online-Archiv nachlesen.;)
Insgesamt unterscheidet man dabei 3 Typen und 6 Unterkategorien:
- Vergangenheitstypen:
Negative Verhaftung - endloses Grübeln über "Was hätte sein können", verfehlte Chancen und schmerzhafte Erfahrungen
Positive Verhaftung - Mut und Selbstvertrauen aus schönen Erinnerungen und Erfolgserlebnissen ziehen
- Gegenwartstypen:
Hedonistische Verhaftung - Spaß- und Genussausichtung, ohne Zielorientierung aus verhalten optimistischer Grundhaltung
Fatalistische Verhaftung - Spaß- und Genussausrichtung, ohne Zielorientierung aus verhalten pessimistischer Grundhaltung
Zukunftstypen:
Antizipatorische Verhaftung - Zielorientierung, planen und arbeiten auf "das" große Lebensziel hin
Impulsive Verhaftung - Zukunftsorientirung ohne festen Plan, "nehmen was kommt"

Alle Typen haben natürlich wie immer ihre Vor- und Nachteile, ich bin aber recht zufrieden mit meiner Mischung, auch wenn die positive Vergangenheitsbewältigung manchmal harte Arbeit ist und laut Prof. Zimbardo meine hedonistische Gegenwartsausrichtung wahrscheinlich zu ausgeprägt wäre.
Das führt nämlich dazu, dass "man" auch schonmal spontan 5Tage vor neuem Gehalt (sprich mit leerem Konto) 30€ für Sushi ausgibt, weil man sonst den ganzen Tag schlechte Laune hat...aber naja ich denke als Marotte ist das noch relativ harmlos.;)
Da konzentriere ich mich lieber auf die Vergangenheitsbewältigung! Aus Fehlern lernen und negative Erfahrungen "loslassen", damit sie einen nicht ewig verfolgen, ist ja logischerweise eine Vorraussetzung für die positive Vergangenheitsverhaftung - und leider nicht so einfach umzusetzen, wie das immer so klingt, ich glaube das kennt jeder.
Aaaber wo kämen wir hin, wenn wir nicht ständig an uns arbeiten würden!;) Und loslassen ist eine hervorragende Übung, fällt mir immer wieder auf - Grübeln kostet soviel Zeit und Energie, das glaubt man eigentlich gar nicht.^^
Das mit der Zukunft ist auch gar nicht so einfach, Planungsfetischisten leben zu wenig im hier und jetzt, Fatalistiker die davon ausgehen, dass man eh auf nichts Einfluss hat, tun gar nix und kommen auch nie zu irgendwas...schwierig, schwierig!
Ich glaube ich bleibe vorerst bei meinem Entwicklungsauftrag Grübelvermeidung und Selbstreflektionsoptimierung und vertraue für die Zukunft auf meinen rheinischen Grundoptimismus: Et hätt noch immer juht jejaange!;)

Achso ja und meinen Zahn losgeworden bin ich dann irgendwann auch noch - hat allerdings 30min fräsen, brechen und zerren an meinem Kiefer gebraucht diese 5cm Zahn Zutage zu fördern. Durchsetzt mit netten Kommentaren, wie "Es tut mir leid, ich muss da noch mal...ach immer wenn ich denke die Wurzel müsste jetzt mal Zuende sein, kommt da noch mehr...manno das ist ja mehr ne Karrotte, als ne Zahnwurzel"...sehr beruhigend!;) Nachdem sie das Loch dann mit immerhin 4 Stichen genäht hatte, musste sie mir diesen Grabsteinzahn auf dem Tablett auch nochmal zusammensetzen, damit ich das zu würdigen wüsste, warum das so lange gedauert hat - 2 Fingerglieder vom kleinen Finger ingesamt, daher die 5cm Schätzung - immerhin sie war beeindruckt...
Von der Narkose hatten ich dementsprechend auch noch eine ganze Weile - sogar mein Ohr war taub, wie eklig das ist - und nu lutsch ich mein Essen erstmal wieder für 2 Tage, danach sehen wir weiter. *sfz* Aaaber so wies aussieht können die oberen beiden Weisheitszähne drin bleiben, das ist ja schonmal was!

Positive Zukunftsorientierung ist halt doch alles!;D

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Vielen Dank!