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12.10.2018

Lirael. Oder: The Art of Sequel

Wie man an der seit Ewigkeiten ungeänderten Seitenleiste erkennen konnte, war der Sommer was Literatur angeht nicht unbedingt mein Freund. Schneckentempo-Lesen ist so ein wiederkehrendes Problem und der To Read Stapel vom letzten Weihnachtsurlaub ist noch nicht richtig kleiner geworden...Bevor uns aber jetzt wieder der Turm aus "was ich noch lesen wollte" erschlägt, konzentrieren wir uns lieber auf das Erfolgserlebnis und erzählen was zur Bettlektüre der letzten Wochen:
Lirael, oder auch Abhorsen II...sorry ich kann diesen Namen immer noch nicht aussprechen ohne zu lachen...schnell, worum geht's??;-)


 Lirael has never felt like a true daughter of the Clayr. Abandoned by her mother, ignorant of her father's identity, Lirael resembles no one else in her large extended family living in the Clayr's glacier. She doesn't even have the Sight—the ability to see into possible futures—that is the very birthright of the Clayr. Nevertheless she must undertake a desperate mission under the growing shadow of an ancient evil—one that opposes the Royal Family, blocks the Sight of the Clayr, and threatens to break the very boundary between Life and Death itself. With only her faithful companion, the Disreputable Dog, to help her, Lirael must find the courage to seek her own hidden destiny.


1. Zweite Bücher fangen in der Scheiße an...oder auch nicht?
Es ist eine lang gehegte Tradition, dass "Mittelteile", egal ob in Buch oder Filmform eine ganz eigene Spannungskurve haben, oder auch "Die Charaktere sitzen am Anfang in der Scheiße - siehe vorheriger Teil - irgendwas passiert und zum Ende sitzen sie oft noch tiefer, oder in einer anderen Scheiße - Fortsetzung folgt im nächsten Teil."
Was diese Erwartungshaltung angeht, ist es schon beinahe revolutionär, dass Lirael eigentlich erstmal total harmlos anfängt, neue Hauptfigur, neue Situation, neue Weltkonstellation, extrapolate from there. Das hat Vorteile aber auch Nachteile...

2. Hauptfigurwelchsel und Zeitsprünge
Zwei meiner Go-To example für gutes Storytelling sind bekanntlich Mass Effect und Dragon Age und wie es der Zufall so will, eigenen sich beide hervorragend um diesen Punkt zu machen, denn während erstere Serie einen fortlaufenden Protagonisten hat, springt letztere in der Zeit und führt immer neue Haupt- und Nebenfiguren ein.
2.1. Mehr Zeit mit den Figuren = Mehr Investment
Ein zweiter Teil, der die Figuren und Storylines des ersten Fortführt, hat es ziemlich einfach den Leser/Zuschauer/Whatever bei der Stange zu halten. Wir kennen diese Leute schon und im besten Fall interessiert es uns was mit ihnen so passiert. Ein großes offenes Ende mit Verlockungen zu Fan-Fiction gibt es hier eher nicht und allzugroße Zeitsprünge können auch schwierig sein, es sei denn "20 unereignisreiche Jahre später" ist tatsächlich aus irgendwelchen Gründen plausibel...
2.2. Anderer Protagonist = Neue Perspektive
Einer der Geniestreiche des Dragon Age Zyklus (für mich ymmv) ist die Demontage der Grey Wardens - ich kann bei Origins immer noch total in der Mysterious Hero Geschichte aufgehen, aber spätestens bei DAI bin ich wieder bei "was für Arschlöcher" angekommen. Diese Art von "Umdenken" bei Konsumenten erreicht man viel einfacher und effektiver durch eine neue Hauptfigur, die einen neuen Standpunkt, oder eine neue Sichtweise auf die Geschichte einbringt. Da macht es auch nichts, wenn mal große Lücken in der Timeline offen bleiben, diese Löcher muss dann Fan-Fiction füllen.;-) Andererseits läuft man natürlich Gefahr, dass die neue Hauptfigur nicht Ansatzweise so interessant ist, wie die Alte und man muss das ganze "hier, interessiert euch für diesen Typen, weil...." wieder von vorne anfangen.

Der Abhorsen-Zyklus (Buch 1-3, über Band 4 weiß ich noch nicht so viel) vollzieht so einen einerseits - andererseits Schwenk. Buch 1 folgt Sabriel und dann springen wir 20 Jahre nach vorn und Lirael kann für Buch 2 & 3 übernehmen, die auch irgendwie eine zeitlich völlig nahtlose Geschichte erzählen.
Ich habe damit jetzt per se kein Problem, aber es lässt Teil 1 ein wenig wie das Prequel zur eigentlichen Story wirken - Sabriel und Touchstone (seriously, nicht mal als König konnte er sich nen besseren Namen ausdenken...?) kriegen so einen "und dann heirateten sie, hatten Kinder und wurden König&Königin" Abriss, der iiiirgendwie zu simpel klingt für die ganzen Konflikte und den Death&Decay der in Teil 1 so angedeutet wird, aber ok, maybe that's just me, weil ich keine Fan-Fiction schreiben will.;-)

3. Eine gute Wahl...
Rausgerissen wird das ganze "Teil 1 - Prequel oder nicht?" Gedöns durch die Tatsache, dass Lirael und Sam als Hauptfiguren 5x interessanter sind als ihre Vorgänger. Sie kriegen mehr Backstory, ihre völlig-frei-von-Romance-Best-Buddy-Chemie ist wunderbar lustig, sie haben beide sehr merkwürdig unterhaltsam-gefährliche sprechende Tier-Familiars und eine gute "finde deine Identität" Storyline ist halt einfach geschnittenes Brot für YA Fiction (ohne das jetzt despectierlich zu meinen, me love me some coming-of-age stories!).

Teil 3 verspricht ein wenig mehr Realpolitik und ich erhoffe mir davon ein wenig mehr "globales" Worldbuilding. Bisher hat man (aka me) ja immer noch nicht so richtig eine Ahnung davon wie das mit dem Old und New Kingdom so funktioniert.

Bis dahin vergebe ich mal 4,5 von 5 Hundeleinen für eine Fortführung, nicht Fortsetzung - das ist schonmal ein halber Punkt mehr als Band 1, mal sehen was noch kommt.;-)

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