Publikationen, Projekte, Persönliches

30.08.2019

Avengers Endgame: Eine Beta-Lesung

We're in the Endgame now!
Ja, ich glaube der Satz ist eigentlich aus Infinity War, aber pff, es war großartiges foreshadowing und außerdem ist es eine nette pun(ch)-line, so who cares?;-)
Ich bin immer noch ein bisschen verwirrt, dass jetzt plötzlich Far From Home der letzte Film in der momentanen MCU Runde sein soll, aber ich ignoriere das für meinen headcanon, also geht es heute um den letzten Film der Infinity Saga, um manche Dinge, die ich gerne ändern würde, wenn man mich ließe und darum warum etwas nicht perfekt sein muss, um gut zu sein.
Ich nenne es die Avengers Endgame Beta-Lesung, denn wenn Beta-Feedback richtig gut funktioniert, dann tut es genau das, was wir heute auch tun wollen:
Dinge aufzeigen, die nicht richtig rund waren, ohne jemals Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass das Gesamtwerk eine Daseinsberechtigung hat, weil es viele gute Dinge gibt, die diesen paar Stolpersteinen entgegenstehen!

Aber erstmal: Was ist unser schlaues Video für heute? NandovMovies hat mehrere, die auch Punkte aufwerfen, die ich gleich machen will, aber ich würde gerne zu Anfang mal kurz den schieren Scope der Aufgabe würdigen, die man mit so einem Endpunkt-Film auf sich nimmt und daher:


 
Halten wir also fest: Endgame als Endpunkt von 22 Filmen & über 10 Jahren Filmographie ist eine Vision und Aufgabe, die in ihrer "keiner hat sowas vorher gemacht und niemand dachte, dass das überhaupt geht" Art eigentlich höchstens mit den original Herr der Ringe Filmen verglichen werden kann. Es gibt mehr als genug Videos, die alle Pay-Off Punkte aus 11 Jahren Set-Up zusammentragen, aber in über 3 Stunden Laufzeit, gab es für mich auch ein paar Charakter- & Story-Beats, die nicht zu 100% auf dem Punkt gelandet sind - wie immer gilt persönliche Präferenz ungleich narratives Naturgesetz und nothing is ever perfect! Let's do this!

Wenn ich für jemanden Beta-Feedback vorbereite gehe ich normalerweise von den richtig wichtigen "das würde ich auf jeden Fall nicht so lassen" Vorschlägen zum Kleinkram Nitpicking "kann man ändern, aber wenn nicht, dann nicht" vor - hier also mein Rotstift für Endgame in absteigender Priorität.;-)

1. Gamorra und Nebula verdienen den Endkampf gegen Thanos!
Mein größtes Problem mit Endgame ist tatsächlich, dass es das Pay-Off für Gamorra und vor allem (!) Nebula im großen Endkampf untergehen lässt. Das ist etwas, das ich a) so überhaupt nicht verstehe und b) eine riesige, verpasste Chance ist, weil es gleich mehrere kleine Probleme lösen würde, die ich mit dem Endkampf habe:
  1. Soviele MCU Filme scheitern übelst am Bechdel-Test - die beste Ausnahme? Guardians II und das vor allem wegen der Entwicklung der Beziehung zwischen Gamorra & Nebula. Ich bin aus diesem (und auch ein paar anderen Gründen) bereit auf dem Hügel zu sterben, dass das Guardians Franchise an sich und vor allem Film 2 Vieles besser macht, als so ziemlich alle anderen MCU Filme und dass dieses Pay-Off in Endgame vernachlässigt wird, hat mir ein bisschen die Laune verhagelt. Ja, es ist ein Avengers-Film, aber das kann bitte nicht das Argument sein?
  2. Der Auftritt von Captain Marvel und die Versammlung der A-Force sind ja an sich schön und gut, aber keiner dieser Charaktere hat einen persönlichen Grund gegen Thanos vorzugehen und Nebula & Gamorra verdienen diesen Abschluss! Außerdem wäre dieses Set-Up auch eine Aufwertung der A-Force-Assemble-Szene, die damit a) weniger nach faulem Tokenism aussehen würde und b) wäre es weniger unlogisch, denn Carol braucht keine Hilfe. Hier empfehle ich das Nando Video, denn ja, so wäre es besser gegangen!
  3. Nebula ist die Einzige, die es in Infinity War schafft, dass der Kampf für Thanos "persönlich" wird, die ihn wütend macht, bei der seine "mit tut das mehr weh als euch" Fassade Risse bekommt. Dieser Effekt wäre unbedingt und GERADE auch bei diesem "ich weiß gar nicht wer ihr eigentlich seid" Thanos wirksam. Die Szene mit ihm und Scarlett Witch ist etwas schwach auf der Brust, weil wir vorher schon wissen, dass Thanos sie nicht nur nicht kennt, sie ist ihm auch völlig egal, genau wie alle anderen. Aber stellt euch jetzt vor diese Szene würde dann ergänzt durch ein Duell zwischen Thanos und seinen "Töchtern", die ihn richtig wütend machen und alle seine Schwächen kennen/ausnutzen können?
Wäre das ein nicht ein emotional viel stärkerer Beat gewesen für den Endkampf? Jeder, der jetzt Nein sagt, warum habt ihr überhaupt bis hierher gelesen...?;-)

2. Streichen wir das Body-Shaming einfach ersatzlos
Ja, natürlich ist das der Punkt, über den sich vor allem die dicke Frau ärgert. Aber wie immer bei punching-down Witzen auf Kosten anderer Leute, fühlen sich eben immer vor allem die verarscht, die sich diese Scheiße schon ihr ganzes, reales Leben lang anhören müssen.* Die Narrative, dass Übergewicht bedeutet, dass man die Kontrolle über sein Leben verloren hat, ist nicht nur toxisch, Mist wie "du könntest auch einfach mal Salat essen" ist auch für etliche Essstörungen verantwortlich.
Und ja, es ist mir bewusst, dass diese Dinge in Endgame als friendly banter und/oder ehrliche Besorgnis geframed werden, ABER für das Publikum sind sie trotzdem ein running-gag auf Thors Kosten.
Und das schlimmste ist: Thors fake Bierbauch ist nur ein Symptom seiner Probleme, aber es ist das einzige, was je zur Sprache kommt! Thors Probleme in Endgame sind Trauer, Selbstzweifel und Depression - Stress-Essen und Alkoholismus können mit diesen Dingen einhergehen, müssen sie aber nicht. Muss man das jetzt deswegen ändern? Ja und Nein.
Es ist nicht mein Problem, dass dieser Charakter als betrunken, übergewichtig, ungewaschen und ungepflegt dargestellt wird (auch wenn nichts davon einen direkten Zusammenhang mit seiner Depression haben muss), ABER wenn Tony Stark PTSD haben darf, warum ist das bei Thor dann plötzlich lustig??
Wenn wir also davon ausgehen, dass sich Charaktere wie Tony oder Rocket einfach manchmal wie Arschlöcher benehmen (nicht jeder wird durch sein eigenes Leiden emphatischer, aber auch das passiert^^), was Thors emotionalen Breakdown angeht, DANN LASST DAS GEFÄLLIGST NICHT UNKOMMENTIERT! Hier wäre eine gute Gelegenheit gewesen für einen Charakter wie Steve (oder Natasha, oder Clint...anyone!) mal einzuschreiten und zu sagen: Hey! Witze über Käsesoße, während jemand leidet? Nicht cool! Klappe halten!
Charaktere dürfen Arschlöcher sein, aber wenn euer Film das unkommentiert stehen lässt, gehe ich davon aus, dass ihr diesen Charakteren Recht gebt. Und dann wird aus eurer "Man kann seine Probleme hinter sich lassen und sich (wieder) als würdig erweisen" Empowerment message, leider ein "naja aber eine Witzfigur und irgendwie sub-human bist du schon trotzdem noch".**

3. Black Widow, Gamorra & Vision verdienen eine Trauerfeier!
Im Internet gab es ja (zu Recht!) vor allem Einwände dagegen, dass Tony quasi ein Staatsbegräbnis bekommt, während Natashas Tod nach 2Minuten abgehakt ist.
Als jemand, der Plotgetriebene Geschichten entwirft, habe ich dafür ein wenig Verständnis, weil die emotionale Aufarbeitung eben zurückstehen muss, solange noch Bösewichte zu verprügeln sind. ABER: Es gibt eigentlich keinen guten Grund, warum diese Trauerfeier nur Tony gehört. Sein Opfer war nicht das Einzige und wenn man so will auch nicht das Größte, nur das Letzte.
Was ist mit Gamorra und Vision? Die sterben in Infinity War nur so nebenbei und spätestens Gamorra war ein lebendes Wesen - und Vision hatte seine spontane Menschwerdung, also...? Die Unterhaltung von Clint und Wanda in diese Trauerfeier zu integrieren, hätte die Drehbuchschreiber gar nichts gekostet und ein kurzer Moment der Trauer für die "eigentliche" Gamorra hätte außerdem a) dafür gesorgt, dass die Guardians nicht nur so awkward am Rand stehen und b) auch nochmal den Konflikt dieser Gruppe verdeutlicht, denn ihre Gamorra ist defnitiv tot, auch wenn es noch eine Gamorra gibt.
Und im Auszoomen hätte man sogar noch eine Gedanktafel für Loki unterbringen können, oder?
In dieser Szene geht es nicht nur um Tony, hier wird (eigentlich) die ganze Gründungsriege der Avengers zu Grabe getragen - das hätte man besser verdeutlichen können.

4. Lasst Captain Marvel nicht einfach nur Deus ex Machina oder Statistin sein!
Ich hatte ja schon erwähnt, dass ich die Einbindung von Carol in das bestehende Team nicht sooo  gelungen fand - das liegt zum einen an der Problematik von Superpowered Characters (siehe Scheitern und wie das geht), aber ich hatte auch das Gefühl, dass man sich nur sehr wenig Mühe gegeben hat. Man hätte nämlich aus meiner Sicht nur sehr wenig tun müssen:
  1. Gebt uns 2 Zeilen Dialog, um zu erklären warum Carol auftaucht, wenn sie auftaucht. Wirklich, das ist mega simpel! Sie findet Tony & Nebula? Gebt ihr einen Funkspruch: "Ich habe sie gefunden!" Sie kommt zum Endkampf? Gebt ihr einen Funkspruch (so wie Falcon): "Ich bin unterwegs!" Schon haben wir weniger Deus ex Machina und etabliert, dass die Avengers sie quasi als ihre Search & Rescue Einheit für schwere Gefechte nutzen. Macht total Sinn, oder?
  2.  Lasst sie sich Peter Parker als Carol vorstellen! Es ist der Pay-Off für den Moment aus Infinity War ("ach ihr stellt euch mit Superhelden Namen vor"), auch wenn sie da nicht direkt beteiligt war, aber es wäre auch ein schöner Tie-In zu ihrer Identitätssuche in Captain Marvel.
  3. Nochmal zu der Trauerfeier: Carol wirkt in diesem Film ab und zu wie ein Fremdkörper, denn der einzige Mensch, mit dem sie eine tiefere Beziehung hat, ist Nick Fury. ALSO lasst Nick Fury mit Carol IRGENDWIE, IRGENDWANN mal interagieren. Lasst diese beiden Figuren nicht einfach so da sein wie verhinderte Türsteher! Ist das so schwer...? Eigentlich nicht...;-)
5. Gebt mir einen Grund warum Nebula Natasha & Clint nicht erzählt was man tun muss, um den Soul Stone zu bekommen!
Die Szene auf Vormir*** ist die einzige, an der ich Logikmängel anbringen will - jaja, Zeitreise Plots machen nie Sinn, daher habe ich dieses ganze Thema einfach mal ausgeklammert. Entweder wir leben damit, oder der Film hat von vorneherein keine Chance...;-)
Aber für jemanden, der Infinity War gesehen hat und also weiß, was gleich passieren muss, ist dieses "Ok wir fliegen dann mal weiter zu dem Soul Stone, ne?" und alle so "Ja klar, bis später!" ein bisschen merkwürdig...Weiß Nebula nicht was passieren muss? WIE kann sie das nicht wissen? Und warum bleibt ausgerechnet sie zurück auf dem Planeten, auf dem ihr früheres Ich gleich auftaucht? Die umgekehrte Einsatzplanung hätte es sehr viel sinnvoller ausgesehen, außer, dass dann alles was weiter passiert auseinanderfällt, weil es essentiell ist, dass Nebula gefangen genommen wird, ihrem früheren Ich begegnet blablabla. Trotzdem, lasst euch irgendwas einfallen warum die Charaktere das sinnvoll finden, gebt mir irgendwas außer "Because Plot".

So das war jetzt sehr lang, aber wenn man sich überlegt wie lang Endgame ist, ist die Anzahl von Szenen und Dingen, die ich ändern würde schon sehr überschaubar - meistens müsste man nur 1-2 Sätze streichen bzw. addieren und alles wäre peachy... Lässt mich trotzdem keiner tun, aber hey, in meiner kleinen Internet-Ecke wird man noch träumen dürfen, no?;-)
Ich habe - wie angekündigt - aber mehr zu motzen gehabt als zu Infinity War, daher gibt es nur 4,5 von 5  Hulk-Fäuste - aber definitv einer der überschaubaren Anzahl von MCU Filmen, die ich mir nochmal anschauen könnte.
Wer jetzt ein persönliches Ranking der ganzen Saga will, muss mir einen Kommentar hinterlassen, soviel Streitpotential mache ich nicht unprovoziert auf!;-)

*Und by the way, weil ich es auf Twitter schon gesehen habe: "Ich bin selber fett und fand das überhaupt nicht schlimm" de-validiert diesen Punkt im Übrigen überhaupt nicht. Es steht jedem frei sich von Dingen nicht beleidigt zu fühlen, das macht sie nicht besser.
**Wer das mit dem punching-up und punching-down nicht so im Hinterkopf hat, dem sei nochmal das schlaue Video zu Brooklyn 99 ans Herz gelegt.
***Ich muss mich immer aktiv darauf konzentrieren nicht Virmire zu schreiben/sagen, was jetzt Leute, die ME1 kennen ziemlich witzig finden können, aber allen anderen vermutlich nichts sagt...oh well...;-)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Vielen Dank!