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09.08.2014

The Borgias. Oder: Quellenkritik Deluxe

Ich hatte es ja für den Machiavelli schonmal erwähnt - meine anfängliche Begeisterung für die HBO Serie über die Borgias hat in der dritten Staffel etwas nachgelassen, weil ich etwas enttäuscht darüber war, dass man sich die Orgien- und Inzest-Geschichten nicht verkneifen konnte...
Nun haben die Macher das Serie nie behauptet irgendwie historisch akkurat zu sein, oder so lächerliche Aussagen gemacht, die "Geschichte besser machen zu wollen", wie man das von Historiendramen sonst so kennt, aber ich war trotzdem ein wenig enttäuscht, dass man diese Gerüchte-Abgründe wirklich noch einbauen musste. Irgendwie machte mir das den Spaß daran zunichte, den ich vor allem in der ersten Staffel noch daran hatte, dass Charaktere wie Lukretia nachvollziehbar gezeichnet wurden und nicht einfach als die "monströse Frauengestalt", die man so erwartet.

Aber, wie schon gesehen beim Medicus, neue Verfilmungen von alten Stoffen haben auch ihre Vorteile, indem sie öffentliches Interesse wecken und plötzlich auch ein Markt für ernstzunehmendere Dinge entsteht - in diesem Fall ein neues Sachbuch von 2013:
The Borgias - the Hidden History von G.J Meyer, in der Hörbuchfassung gelesen von Enn Reitel


Der Autor geht an verschiedenen Stellen auf die Geschichte ein, die man kennt, wenn man die Serie gesehen hat uns macht sich dann an die löbliche Aufdröselung der Quellenlage. Also die wichtige Unterscheidung von "Was wir belegen können", "Was andere Autoren behaupten" und "Was man eventuell daraus ableiten kann, oder eben auch nicht".
Das Ergebnis hat sogar mich zugegebernermaßen sehr überrascht - seit Jahrzehnten gibt es laut Recherche des Autoren beispielsweise Dokumente, die bezweifeln lassen (um nicht zu sagen widerlegen), dass Papst Alexander überhaupt der Vater von irgendwem war, aber mit ziemlicher Sicherheit war er nicht der Vater der Borgia Kinder, die man ihm immer so zumutet.
Es werden frühere Autoren zitiert, die sowas sagen wie "Aber eigentlich macht es auch einen Unterschied, ob es jetzt seine Söhne oder seine Neffen waren. Das historische Ergebnis ist ja dasselbe, also kann diese Frage unbeantwortet bleiben." - was eigentlich jeden, der tatsächlich irgendwie verstanden hat wie wissenschaftliches Arbeiten funktioniert die Tränen in die Augen treiben müsste.;-)

Besonderer Wert wird auch auf die Aussagen von "Zeitgenossen" gelegt, was mir persönlich sehr gut gefällt, denn wie schonmal bemerkt: Nur dass jemand zur selben Zeit gelebt hat, heißt nicht, dass er irgendwas Substantielles oder Wahrheitsgetreues beizutragen hatte. Viele Gruselgeschichten sind also als genau dieses zu betrachten - sie sollten amüsieren und gleichzeitig eine politische Agenda projezieren. Die schöne Feststellung des Autors dazu:
"Diese Berichte für bare Münze zu nehmen, wäre dasselbe, wie eine Biographie von George W. Bush auf Transkripten der Daily Show zu basieren."
Besser kann ich es auch nicht sagen!;-)

Ich fühle mich also völlig gerechtfertig darin die Sexkapaden der Serie für too much und historisch unkorrekt zu halten und empfehle den sachlichen Blick wärmstens mit 5 von 5 goldenen Fleißbildchen. So geht reflektierte Quellenbetrachtung!
Hoffen wir mal, dass die nächste Staffel wieder ein wenig weniger pornös wird...

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